Page:Labi 2009.djvu/201

From Wikisource
Jump to navigation Jump to search
This page has not been proofread.

Jene, von Middlemore thematisierte, Epoche der Erstbesteigungen wird in der einschlägigen Literatur zumeist das Goldene Zeitalter des Alpinismus genannt. Eine, in der Tradition des Alpine Club stehende, Alpinhistorie lässt sie mit der Besteigung des Wetterhorns im Jahr 1854 durch Sir Alfred Wills, den späteren Präsidenten des britischen Alpenvereins, beginnen. Gleichermassen wird die Ersteigung des Matterhorns im Jahr 1865 als Ende des Golden Age angesehen.

Die nachfolgende Bergsteigergeneration befände sich, das zeigt die von Midd-lemore angeheizte Diskussion klar auf, gewissermassen in einem Dilemma: Wer sich noch bergsteigerischen Ruhm erarbeiten wolle, könne dies zwangsläufig nur mehr im schwierigen und «möglicherweise gefährlichen»[2] Gelände tun. Sein Vorstoss löst in den Reihen des Alpine Club eine lebhafte Debatte aus, in deren Verlauf auch die Frage gestellt wird, ob es denn überhaupt noch Sinn mache, weiterhin die Ziele des Verbandes zu verfolgen, wenn doch nur mehr das Eingehen äussersten Risikos es ermögliche, neue Touren zu erschliessen. Es wird sogar vorgeschlagen, den Club überhaupt aufzulösen, da er angesichts der unzähligen Erstbegehungen in den vorangegangenen Jahren seine «Mis- sion» bereits erfüllt habe. Dem hält Middlemore entgegen, er sei nach wie vor für die Durchführung neuer Expeditionen in den Alpen, sollten sie bisweilen auch beträchtliche Gefahren in sich bergen. Schliesslich könne ohne Risiko keine Erstlingstat gemacht werden.

Ein Vertreter des zuvor behandelten Goldenen Zeitalters des Alpinismus ist Leslie Stephen. Er wird für einige Jahre Präsident des von ihm mitbegründeten Alpine Club in London. Stephen besteigt nachweislich als erster einige der anspruchsvollsten Hochgipfel der Alpen, etwa das Bietsch-, Schreck- und Zi- nalrothorn (Erstbesteigungen 1859-1864). Die literarische Verarbeitung seiner bergsteigerischen Taten findet Eingang in das beispielgebende Werk The Play- ground of Europe, welches vor allem die Westalpen als Spielplatz heroischer Erstürmungskämpfe mit englischen Hauptdarstellern beschreibt und einen ver- wegenen, männlich dominierten Eroberungsalpinismus parafiert. Middlemores Bedenken aufgreifend, bezeichnet er sich selbst als «eine[n], der das Glück hatte, Alpenersteigungen zu machen, bevor die Neuheit erschöpft war».[3] Im fortgeschrittenen Alter, nach Beendigung seiner aktiven Bergsteigerlaufbahn, bringt er sich in das Streitgespräch ein, indem er für die Einhaltung festgesetzter Regeln plädiert und dafür eintritt, auf eine Tour zu verzichten, wenn diese nur unter Vernachlässigung jener Regeln auszuführen sei. Jahre vorher hatte Ste- phen in den Schlussbetrachtungen zu seinem Werk The Playground of Europe