Page:H.M. Zwischen den Rassen.djvu/268

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sprechen konnte. Den ersten Tag hatte Mai sich in der Gesellschaft so betragen, als sei durch Pardis Fortgang ihr ein besonderes Unrecht angetan, als habe man ihn vertrieben, um ihn ihr wegzunehmen. Bald hatte sie sich zurückgewinnen lassen: nur mit Lola schmollte sie noch, bot ihr keins von den mitgebrachten Handtüchern an und kam nicht zum Gutenachtkuß. Und wäre sie gekommen: an das Unausgesprochene hätte Lola sich nicht gewagt. Wie stand Mai mit Pardi? Sehnen mußte sie sich. Dann aber sann sie auf die Abreise nach Italien, — auf die auch Lola sann. Nur aus Befangenheit voreinander taten beide, als gäbe es nichts zu beschließen, und ließen dies Dasein fortdauern, das doch bloß noch Last war. Denn Lola ward gedemütigt von ihren herabsetzenden Entdeckungen an diesen Menschen, deren Gast sie war. Jeder Tag vermehrte ihren Widerwillen und ihre Scham.

 

Am dritten Morgen aber fand sie auf ihrem Tisch wieder Blumen; zwei Tage lang hatte Tini sie vernachlässigt; — und darin steckte ein Briefchen.

„Heute mittag,“ schrieb Tini, „wirst du nämlich mit der Post einen Brief aus Mantua bekommen, von einer Pensionsfreundin. Sie hat zufällig erfahren, daß du hier bist, und möchte, daß du rasch hinkommst, denn lange bleibt sie nicht. In Wirklichkeit aber ist der Brief von mir. Ich habe es mir schon längst ausgedacht und habe mir dazu den Umschlag von

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