Page:H.M. Zwischen den Rassen.djvu/266

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— sah so stark, daß er, ohne daran zu denken, zum Seelenleser ward … Bei diesen hier war das Leibliche lange vernachlässigt, das Auge fast schon tot. Gewaltsam sollte es sich nun ermuntern, und über Nacht mußte alles „künstlerisch“ werden … Da begegnete sie Arnolds Blick und verstand: was sie dachte, kam von ihm. Er hatte erraten, weshalb sie nach den Fenstern der Frauenkirche gefragt hatte. Das Gefühl erbitterte sie, daß sie kaum noch ihre Gedanken vor ihm wahren könne. Hundert Gespräche mit ihm hatten sie ihm bloßgelegt, und sie hatte den Kopf, sie mußte es wohl gelten lassen, voll von Dingen, die ohne ihn nicht darin entstanden wären. Er durchschaute auch, was sie zu Pardi zog, was Pardi vor ihm selbst auszeichnete, Lolas Kämpfe, und daß sie in diesem Augenblick wieder vergebens danach lechzte, ihn verachten zu können, ihn in den Haufen der übrigen zurückstoßen zu können. Er wußte alles; und sein großes Wissen um sie gab ihm selbst das Recht, sie zu verachten: sie, die einen Geist wie ihm hätte auf seine Höhe folgen können, und die sich zu einem baren Sinnlichen hinabließ. Es war ihr, als lebte sie unter dem Auge eines Herrn. Sie liebte ihn nicht, gab ihm kein Recht auf sich: und doch — so groß war die Macht des Geistes — fühlte sie sich ohnmächtig vor ihn hingebreitet! „Wäre ich ihm erst entronnen!“ Der Trieb brannte sie, aufzuspringen und davonzulaufen.

Sie suchte sich ihn im Kampf mit Pardi vorzustellen und in der kläglichen Rolle, die ihm dabei

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