Page:H.M. Venus.djvu/258

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in dem sie stehen, daß Sie die letzte sind. Aber faßt das Fieber sie erst einmal, dann — giebt es Sie lebend nicht heraus. Reisen Sie, reisen Sie!“

Ihre beiden Freunde waren außer Gefahr; darauf kehrte sie, merklich erholt, in die Stadt zurück.

Es war Anfang September; einige hundert Leute mit Geld und Titeln hatten sich aus Amerika und Europa nach Neapel bestellt. Sie kannten einander von unzähligen Vergnügungen an fünfzig Plätzen der Erde. Sie hatten einst in Zara der Revolution für die junge Herzogin von Assy beigewohnt, wie einer Fuchsjagd oder einem Karneval. Sie hatten in Venedig die Feste besucht, auf denen die satte Kunst prangte neben der reisen Schönheit der Herzogin von Assy. Jetzt kamen sie, um zuzusehen, wie der Ausbruch ihrer späten Wollust eine ganze Stadt auflodern machte.

Denn die heidnische Flamme griff vom Palast auf dem Posilippo über Neapel hin. Das Volk stürzte sich hinein. Es schrie ihr in Krämpfen, wo immer sie vorüberkam, seine Anbetung zu. Es wütete bei Orgien, die sie bezahlte. Die Nächte auf den langen Quais brannten von Pechfackeln und von begehrlichen Augen, von erhitzten Körpern die im Bogen ins Wasser fprangen, von rotem Rauch aus den Kesseln der fliegenden Bäcker, von Wein, von sehnsüchtigen Worten und von rastlosen Umarmungen. Unter den Lichtkränzen farbiger Papierlampen und den Funkenspielen der Fackeln sprenkelten die Häuser sich rosig und grün, flackerte es bunt auf den Gesichtern, stürzten in jähen Farben die Gebärden durcheinander und schillerte das

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