Page:H.M. Professor Unrat.djvu/73

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Sie nahm ihm seinen Maurerhut vom Schoß, reinigte ihn, glättete sogar die Krämpe, rückte ihn liebevoll auf Unrats Kopf zurecht. Dann klopfte sie, und prüfte dabei ihr Werk, schalkhaft gegen seine Schulter. Er sagte mit schiefem Lächeln:

„Das haben Sie — nun doch immerhin — recht brav gemacht, gute Frau.“

Aber er empfand diesmal etwas anderes als die unlustige Anerkennung des Gewalthabers für geleistete Pflichten. Er fühlte sich hier von Leuten, denen er trotz der Nennung seines Titels offenbar noch im Inkognito gegenübersaß, mit eigentümlicher Wärme angefaßt. Ihnen verdachte er ihre Respektlosigkeit nicht. Er entschuldigte sie; es fehle ihnen sichtlich „jeder Maßstab“; und entschuldigte damit auch die Lust, die er selbst spürte, von der Widersetzlichkeit der Welt einmal abzusehen, in seiner gewöhnlichen Gespanntheit nachzulassen — abzurüsten, sei es nur auf ein Viertelstündchen.

Der dicke Mann holte unter einem Paar Unterhosen zwei deutsche Flaggentücher hervor, schnaufte und blinzelte dabei Unrat zu, als sei er mit ihm im Einverständnis. Die dicke Frau hatte alle Schrecken verloren; Unrat hatte Muße gehabt zu erkennen, daß die scheinbare Abgefeimtheit ihres Blickes durch schwarze Malerei künstlich erzeugt war. Nur zu der Künstlerin Fröhlich fand er kein unbefangenes Verhältnis. Doch stand sie abgewendet und mit sich beschäftigt; sie nähte an ihren aufgerafften Rock ein Gewinde von Stoffblumen.

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