Page:H.M. Professor Unrat.djvu/32

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Unrat bewegte zuerst nur die Lippen. Sie sahen einander an, er und der abgedankte Schauspieler mit den tiefen, blauschwarzen Zügen, der flachen Nasenspitze und dem Klemmer darauf. Unrat brachte hervor:

„So? Sie geben denn also den Wilhelm Tell. Das ist recht von Ihnen.“

Der Kassierer sagte:

„Wenn Sie meinen, wir tun’s zu unserm Privatvergnügen.“

„Das habe ich Ihnen nicht unterstellen wollen“, versicherte Unrat, voll Angst vor Verwickelungen.

„Man verkauft ja nischt. Bloß, daß die klassischen Vorstellungen in dem Pachtvertrag drinstehn, den wir mit der Stadt haben.“

Unrat fand es geboten, sich bekannt zu geben.

„Ich bin nämlich der Professor Un— der Professor Raat, Ordinarius der Untersekunda am hiesigen Gymnasium.“

„Sehr angenehm. Mein Name ist Blumenberg.“

„Und ich würde recht gern mit meiner Klasse die Aufführung eines klassischen Dichterwerkes besuchen.“

„Ach, das ist aber ganz reizend von Ihnen, Herr Professor. Mit der Nachricht werd’ ich bei unserm Direktor den größten Erfolg haben, da zweifle ich keinen Augenblick.“

„Aber“, und Unrat erhob den Finger, „es müßte — wahrlich doch — dasjenige von den Dramen unseres Schiller sein, das wir in der Klasse lesen, nämlich — immer mal wieder — die Jungfrau von Orleans.“

Der Schauspieler ließ die Lippen fallen, senkte

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