Page:H.M. Minerva.djvu/88

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wie Sie, Frau Properzia: soviel wie möglich einander sehen und sich einfach lieben … In einem Saal unseres Palazzo am Großen Kanal schloß er sich mit ihr ein und verließ sie nie mehr. Es gab darin einen hohen, wunderbar geschmückten Sockel, auf den sie sich stellen mußte: ganz nackt, wie eine Statue; eine köstlich ciselierte Silberschale, in die sie sich legen mußte, ganz nackt, ähnlich einer Perle; und einen von erhabenen Bildern umzogenen Marmorsarkophag, auf den sie sich ausstrecken mußte, ganz nackt, gleich einer Toten.

„Wenn sie auf dem hohen Sockel stand, so erreichte ihr Kopf mit den langen, langen Haaren die wunderschöne Fensterrose, die in der Mauer unseres Palazzo ist, und von der er seinen Namen führt: Dolan della Finestra. So kam es, daß man sie von draußen sah, von dem Seitengäßchen, das neben unserm Hause herläuft. Und jedesmal fammelte sich dort das Volk und verlangte, die schöne Sklavin solle hinausgeführt und ihm gezeigt werden. Der Ritter verweigerte es. Aber da man horte, sie sei übermenschlich schön, drohte in Venedig ein Aufruhr, und die Signoria schickte ihre Abgeordneten zu Benedetto Dolan: er solle seine Sklavin hinausführen. Er verneigte sich und gehorchte. Er trug sie in seine Gondel: nicht auf dem hohen Sockel, worauf sie, ganz nackt, wie eine Statue stand; auch nicht in der Silberschale, in der sie, ganz nackt, einer Perle ähnlich ruhte; — sondern ausgestreckt auf dem marmornen Sarkophag, ganz nackt, gleich einer Toten. So fuhr sie, der Ritter in seiner Rüstung ihr zu Häupten. den Großen Kanal hinab.

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