Page:H.M. Minerva.djvu/135

From Wikisource
Jump to navigation Jump to search
This page has been proofread.

jenes Dreiecks marmorner Prunkbauten die Fortuna hoch hinaufgeschnellt. Sie spiegelt sich hell in den Wellen, und ihr Widerschein fließt auf den Wellen bis in die fernsten Kanäle: der Widerschein der Fortuna.

„Wenn ich drüben auf der Giudecca den gemessenen Tempel betrete, dessen glänzende Staffeln mich abholen aus der Lagune, so erhellt plötzlich seine klare, freudenreiche Halle alles was in mir schlief. Ich schreite bebend in Spannung und Jubel des Wiedererkennens durch den zauberhaften Säulenwald, der den Leib der Schönheit gefangen hält.

„Fern davon, an schattiger Wand, in der Tiefe einer Sakristei sitzt auf dem rotdurchwirkten Damast einer flachen Tribun«, in dunkel und mattblauem Faltenmantel eine Madonna. Über ihr erlischt das Gold der Kuppel. Unter dem weißen Kopftuch schimmert das blasse Gesicht, klein, rund, hochmütig erhoben. Ihre halb geöffneten Augen bekennen nichts von allem stolzen Leid. Sie blickt halb zur Seite, über die Menschheit weg, die plump ist. Der Mund ist schmal und eng verschlossen … mich aber hat er geküßt … Ich bin oftmals selber diese Madonna. Oftmals bin ich der Kinderengel, der zu Füßen einer andern stillenKönigin, in hellem Bildersaal, die Viola spielt, geneigten Hauptes, ängstlich vertieft, leidend fast vor Glück, weil er sie besingen darf.

„Ich bin der Genius am Grabe des großen Bildhauers, mit weichen Schultern, breiter Jünglingsbrust, ganz schmalen Hüften und langen, fein gewölbten

119