Page:H.M. Im Schlaraffenland.djvu/67

From Wikisource
Jump to navigation Jump to search
This page has been proofread.

lehnte sich in die Bergère zurück, einen Augenblick lächelte sie sogar geschmeichelt, Andreas, der die Lorgnons der rechts und links sitzenden Damen fürchtete, sah Frau Türkheimer unverwandt in die Augen, und sein Blick, den dichte, vorn aufwärts gebogene Wimpern beschatteten, machte den von Doktor Bediener vorausgesehenen Eindruck. Sie fand ihn angenehm, ganz frei von Dreistigkeit und voll jugendlicher Hingebung. Da Andreas sich geprüft fühlte, errötete er, was seinem knabenhaften Blondkopf mit dem leichten Flaum auf der Oberlippe sehr gut stand. Sie fuhr fort, ihn zu betrachten. Der geheime Schmerz, der über ihr Gesicht einen Schleier geworfen hatte, geriet in Vergessenheit. Es blieb nur eine sanfte Schwermut übrig, genährt durch den Anblick des jungen Menschen, der auch des Anteils einer mitleidigen Seele zu bedürfen schien. Andreas ahnte etwas Ahnliches. Er fand sich in seiner Ungeschicktheit selbst bedauernswert, aber es kränkte ihn, sich von einer schönen Frau bemitleiden lassen zu müssen. Er ward noch röter. Sie erkundigte sich:

„Und wie befinden Sie sich in Berlin? Denn Sie haben doch wohl erst kürzlich Ihre Heimat verlassen?“

„Ich komme vom Rhein, gnädige Frau.“

„Ich glaubte es an Ihrer Aussprache zu hören. Ah! Der Rhein!“ hauchte Frau Türkheimer. Sie sann einen Augenblick, ließ sich indes auf eine Beschreibung der Stimmungen, der ihr der Rhein eingeflößt hatte, nicht ein.

„Sie müssen sich hier wohl recht wie in der Fremde fühlen?“ fragte sie unwillkürlich leiser. Schwer-

57