Page:H.M. Im Schlaraffenland.djvu/420

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sie. Als sie, zum ersten Male im weißseidenen Schlafzimmer, den Kopf zurücklegte und ihm die so oft geküßte Kinnlinie darbot, da hatte sie alle seine alten, schon ermatteten Umarmungen vergessen und dachte nur an die vielen, immer jungen Zärtlichkeiten, die sie ihm aufgespart hatte und die für ein langes Leben ausreichen würden, unabsehbar. Aber sie schloß erblassend die Augen: seine Lippen waren kalt.

Sie wollte sie an den ihrigen wärmen; wochenlang ließ sie nicht ab. Endlich mußte sie sich seinem Willen fügen, und sie lebten fortan, ohne einen Vorwurf und ohne einen Herzenslaut, in einer lauen Atmosphäre verjährter Freundschaft, die einen guten Tisch und wohlgepflegte Weine braucht, um bei Laune zu bleiben. Adelheid bestellte eigenhändig seine Tafel, sie benutzte seine Ehrfurcht vor den Künsten des Luxus, um sich verstohlen in sein Dasein einzuschmeicheln, das ohne Umschweife ganz ihr gehört hätte. Sie fuhr selbst zu Huster, um Krametsvögel zu bestellen, Caviar holte sie von Schischin und Krebse von Martini. Ihre Gedanken an ihn vereinigten sich ganz und gar mit der Sorge um zarte Bissen, und am Ende that es ihr kaum noch weh, daß sie ihm am wenigsten ungelegen kam, wenn sie eine neue Leckerei mitbrachte. Beim Nachtisch erklärte sich der Erfolg, Und nachdem Andreas seinen Cognac geschlürft und seine Cigarre angebrannt hatte, sah sie ihn mit Entzücken wieder zum Knaben werden, zu jenem ausgelassenen, frühreifen, kleinen Jungen, der so allerliebst mit ihr gekost hatte, damals am Anfang des Winters, in dem ärmlichen Studenten-

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