Page:H.M. Die kleine Stadt.djvu/77

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„Und meine Prophezeiung! Diese Stadt hat weniger als hunderttausend Einwohner, und ich bin umgeben von Geheimnis. Ich werde hier sterben.“

„Ja, man muß vorsichtig sein,“ — und der Bariton drehte unerschüttert an seinen kleinen Hörnern. Der Alte schrumpfte zusammen. Der Advokat bekam unversehens eine Art Anfall. Er zuckte wild mit den Schultern, seine Handrücken taten kleine krampfige Schläge in die Luft, die Adern schwollen ihm, und seine Augen waren die eines Erstickenden.

 

Plötzlich stand der Kapellmeister Dorlenghi am Tisch und sagte, rasch atmend:

„Wenn es den Herren gefällt, zur Probe!“

Niemand antwortete ihm. Italia zerrte ihr Taschentuch durch die Zähne, der alte Giordano sah entrüstet weg. Dann nahm der Advokat das Wort.

„Guten Tag, Dorlenghi, setzen Sie sich!“

„Verlieren wir keine Zeit, ihr Herren! Diese elende Schule hat mich lange genug aufgehalten. Denn ich bin ein kleiner Dorfmusiker und muß die Kinder singen lehren. Kommen Sie!“

Da nichts sich regte, fragte er, stockend und erblaßt:

„Aber was ist geschehen? Ich verstehe nicht —“

Der Advokat fuchtelte verzweifelt. Auf einmal klappte er die Arme herunter und sagte leichthin:

„Sie wollen nicht, Dorlenghi. Diese Herren haben den Plan gefaßt, abzureisen.“

„Ach ja, abreisen!“ — und Italia nickte fliegend und verzerrt, als sei sie von Schlangen umwickelt.

„Auch ich reise“, sagte der alte Giordano. „Ich will hier nicht sterben.“

Der Kapellmeister griff nach einem Stuhl und griff daneben. Der Advokat fing ihn auf und setzte ihn hin.

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