Page:H.M. Die kleine Stadt.djvu/432

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„Wie Sie mich quälen“, murmelte sie. „Schon so lange, ach, verrate ich Ihnen meine Eifersucht auf die Frau des Schneiders, aber Sie, Böser, wollen nichts sehen.“

Mit einem Ruck bekam der Alte eine Miene voll gnädiger Zärtlichkeit.

„Beruhigen Sie sich, nur meine allzu große Liebe zu Ihnen war schuld, daß ich nichts sah.“

Sie schickte vom Rande des Lides einen raschen Blick umher. Ihr Mann fuchtelte zusammen mit dem Advokaten. Polli, der Bäcker Crepalini, Malagodi, der Apotheker, Herren und Mittelstand lagen sich ringsum geräuschvoll in den Armen.

„Jetzt wissen Sie es, Grausamer. Sie werden geliebt.“

„Teure Frau! Welches Feuer ich fühle!“

Da sah sie auf. Der Alte erbebte.

„Wenn Sie nicht mehr an die andern denken wollen, nur noch an mich —. Gehen Sie nach Hause, ich folge Ihnen.“

 

In dem rauhen Gesang der Trinker schwebte, dünn und durchdringend, die Stimme des Kaufmannes Mancafede.

„Trinkt nur! Es ist mein Wein, und er kostet euch nichts. Wenn es nichts kostet, würde sich auch die Madonna betrinken. Dies Glas aber bekommt sie nicht.“

Und er goß es hinunter. Die Höhlen in seinen Wangen waren rosig, und seine gewölbten Hasenaugen glänzten wie Glas. Der alte Zecchini schlug ihn auf den Rücken; ob seine Tochter es vorausgewußt habe, daß er heute am hellen Tage betrunken sein werde.

„Eh!“ machte der Kaufmann. „Wenn sie es nicht gewußt hat, sieht sie es auch jetzt noch früh genug.“

„Aber das Unglück?“ fragte der Bariton Gaddi. „Ihre Tochter hat doch prophezeit, daß ein Unglück geschehen solle, während

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