Page:H.M. Die kleine Stadt.djvu/190

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Wie die drei sich davonmachten, kam leise der Schneider Chiaralunzi hervor. Er klopfte und wartete dann in gebückter Haltung, mit baumelndem Schnurrbart und ehrfürchtiger Miene. Seinen ungeheuren Blumenstrauß streckte er sorgfältig von sich. Drinnen polterte es, die Primadonna fuhr heraus, dem Schneider an den Magen. Aber sie prallte zurück, ohne daß er wankte.

„Ach Ihr“, sagte sie, und ihre Miene spannte sich plötzlich ab. „Sogar Blumen! Nun, gebt her! Und kommt nur herein, ich kann Euch gebrauchen; Ihr mögt mir die Kämme reichen. Die Frau habe ich fortgeschickt, sie verstand nichts, und ich hasse die, die nichts verstehen. Ihr habt Euer Solo gut geblasen. Wenn Ihr blast, hört man, daß Ihr ein ehrlicher Mann seid.“

„Wer ist denn bei ihr?“ fragte Polli. „Mir ist doch —“

„Wer wirds sein“, sagte Giocondi. „Ein Liebhaber. Daher hat sie uns so empfangen. Versteht sich, wir störten.“

„Sollte man nicht herausbekommen, wer es ist?“ versetzte der Savezzo mit düstrem Neid.

Sie schlichen hinter dem Prospekt um die Bühne. Drüben zwischen den Kulissen fanden sie den Advokaten umflattert von kleinen Choristinnen, die ihre mehlweiß und braun gescheckten Ärmchen vor ihm umherwendeten, süße Augen und schiefe Köpfe machten und ihm plötzlich ins Gesicht lachten. „Sie, Advokat, der Sie der Freund der Frauen sind, sagen Sie, ob es gerecht ist, daß ich ein kaffeebraunes Kleid tragen muß!“

„Sie also sind es, der uns heute abend vom Tode errettet hat? Welch tapferer Mann!“

„Ein wohlerzogener Mann, der den Frauen keinen Vorschuß abschlägt“, — mit ihrem bunten Gesicht dicht unter seinem Munde. Aber als er zufuhr, war sie fort und streckte

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