Page:H.M. Die kleine Stadt.djvu/107

From Wikisource
Jump to navigation Jump to search
This page has been proofread.


„Das ist doch wohl übertrieben“, meinte der Advokat; und da er in den Gesichtern Zustimmung erkannte, richtete er sich kühner auf.

„Diese Rangen sind ja schlimmer als wir. Der Coletto vom Konditor Serafini ist mit der Kleinen abgefaßt worden, die beim Malandrini die Teller abspült. Ich rufe den Leutnant als Zeugen auf … Und im übrigen, ihr Herren, seht hier, seht den Priester!“

Don Taddeo hatte die Ledermatratze von der Domtür gehoben und belauschte, sprungbereit, die Buben. Unversehens war er über ihnen und zersprengte sie unter einem Hagel von Püffen. Die ersten, die sich gefaßt hatten, waren schon davon, im Corso verschwand schon die weiße Mütze des kleinen Konditors, aber Don Taddeo hieb noch immer, und seine Soutane flog, besinnungslos auf die Ungewandtesten und Schwächsten ein, die sich duckten und schrien. Die Bürger waren empört.

Der Gevatter Achille schob seinen Bauch ins Freie und murrte:

„Sieh doch, ei sieh doch, welch häßliches Tier!“

„Wenn man ihn selbst einmal —“ schlug Polli vor, und sogar der Kaufmann Mancafede gestand, daß der Priester es stark treibe.

„Solche Verbündete“, stellte der Advokat fest, „hat der Herr Camuzzi. Solchen Leuten besorgt er das Geschäft.“

„Die moralischen Gesetze“, versuchte der Sekretär einzuwenden, „verlieren dadurch nicht an Wert, daß —“

„Ach was!“ — und der Advokat schob seine Tasse weit fort. „Lassen Sie doch die moralischen Gesetze in Ruhe! Die freie Menschlichkeit, der wir anderen huldigen —“

Er sah auf Italia.

„— ist sittlicher und sicher auch gottgefälliger, als eure düstere Verneinung!“

99