Page:H.M. Der Untertan.djvu/78

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„Ich sah, daß du mir nicht glaubtest. Es war schrecklich, als ich merkte, du kamst nicht mehr, und es war aus. Es war ganz schrecklich. Ich wollte dir schreiben, ich wollte zu dir gehen. Jedesmal verlor ich den Mut, weil du mich doch nicht mehr mochtest. Ich kam so herunter, daß Papa eine Reise mit mir machen mußte.“

„Wohin denn?“ fragte Diederich. Aber Agnes antwortete nicht, sie zog ihn wieder an sich.

„Sei lieb mit mir! Ich hab’ nur dich!“

Diederich dachte verlegen: „Dann hast du nicht viel.“ Agnes schien ihm verkleinert und sehr im Wert gesunken, seit er den Beweis hatte, daß sie ihn liebte. Auch sagte er sich, einem Mädchen, das so etwas tat, dürfe man nicht alles glauben.

„Und Mahlmann?“ fragte er höhnisch. „Ein bißchen war doch wohl los mit ihm.“ — „Na laß nur“, sagte er, da sie sich mit starrem Entsetzen aufrichtete. Er suchte gutzumachen. Er sei doch auch noch ganz benommen von seinem Glück.

Sehr langsam zog sie sich an. „Dein Vater wird aber gar nicht wissen, was los ist“, meinte Diederich. Sie hob nur die Schultern. Als sie fertig war und er schon die Tür geöffnet hatte, blieb sie noch stehen und sah in das Zimmer zurück, mit einem langen, angstvollen Blick.

„Vielleicht“, sagte sie, wie zu sich selbst, „komme ich nie wieder. Mir ist, als sollte ich heute nacht sterben.“

„Wieso denn?“ sagte Diederich, peinlich berührt. Statt einer Antwort ließ sie sich noch einmal an ihn hinsinken, den Mund auf seinem, die Brust auf seiner und von den Hüften zu den Füßen wie mit ihm verwachsen. Diederich wartete geduldig. Dann löste sie sich, öffnete die Augen und sagte:

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