Page:H.M. Der Untertan.djvu/74

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Er wußte auf einmal nichts mehr zu sagen und wendete den Kopf umher, als suchte er den Weg. Sie waren allein zwischen kahlen Bäumen und nassem alten Laub. Wo waren die männlichen Hochgefühle von vorhin? Diederich empfand Beklommenheit, wie auf seinem letzten Spaziergang mit Agnes, als er, von Mahlmann gewarnt, auf einen Omnibus sprang, ausriß und verschwand. Gerade sagte Agnes: „Sie haben sich aber sehr, sehr lange nicht bei uns sehen lassen. Papa hat Ihnen doch geschrieben?“

Sein eigener Vater sei gestorben, sagte Diederich, betreten. Jetzt mußte Agnes zuerst ihr Beileid ausdrücken, dann fragte sie weiter: warum er damals plötzlich fortgeblieben sei, vor drei Jahren.

„Nicht wahr? Es sind schon fast drei Jahre.“

Diederich bekam Festigkeit. Das Verbindungsleben habe ihn völlig in Anspruch genommen. Dort herrsche nämlich eine verdammt strenge Zucht. „Und dann habe ich meiner Wehrpflicht genügt.“

„Oh!“ — Agnes sah ihn an, „was aus Ihnen alles geworden ist! Und jetzt sind Sie wohl schon Doktor?“

„Das soll jetzt kommen.“

Er sah unzufrieden geradeaus. Seine Schmisse, seine stattliche Breite, alle seine wohlerworbene Männlichkeit: für sie war das nichts? Sie bemerkte es gar nicht?

„Aber Sie“, sagte er plump. In ihr blasses, so schmales Gesicht stieg eine ganz dünne Röte, bis auf den Sattel der kleinen eingedrückten Nase mit den Sommersprossen.

„Ja. Mir geht es manchmal nicht gut, aber es wird schon wieder besser werden.“

Diederich bereute.

„Ich meinte doch natürlich, daß Sie noch hübscher geworden sind“ — und er betrachtete ihr rotes Haar, das

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