Page:H.M. Der Untertan.djvu/358

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Eine Dame, die bisher nur immer gegessen hatte, sollte jetzt singen. Im Musikzimmer hatte man sich gruppiert. Diederich, an der Tür, zog verstohlen die Uhr, da hüstelte hinter ihm die Präsidentin. „Ich weiß wohl, lieber Doktor, daß Sie nicht uns und unserer leichten, ich möchte sagen allzu leichten Konversation Ihre Zeit opfern, die so ernsten Pflichten gehört. Mein Mann erwartet Sie, kommen Sie nur.“ Den Finger auf den Lippen ging sie voran, über einen Gang, durch ein leeres Vorzimmer … Ganz leise klopfte sie. Da keine Antwort kam, sah sie ängstlich auf Diederich, dem auch nicht wohl war. „Ottochen“, versuchte sie, zärtlich an die verschlossene Tür geschmiegt. Nach einer Weile des Lauschens erhob sich drinnen die fürchterliche Baßstimme: „Hier ist kein Ottochen! Sag’ den Schafsköpfen, Sie sollen ihren Tee allein saufen!“ — „Er ist so sehr beschäftigt“, flüsterte Frau von Wulckow, ein wenig bleicher. „Die Schlechtgesinnten untergraben seine Gesundheit … Leider muß ich mich jetzt meinen Gästen widmen, der Diener soll Sie anmelden.“ Und sie entschwebte.

Diederich wartete vergeblich auf den Diener, lange Minuten. Dann aber trat der Wulckowsche Hund ein, schritt riesenhaft und voll Verachtung an Diederich vorbei und kratzte an der Tür. Sofort ertönte es drinnen: „Schnaps! Komm herein!“ — worauf die Dogge die Tür aufklinkte. Da sie vergaß, sie wieder zu schließen, erlaubte Diederich sich, mit hineinzuschlüpfen. Herr von Wulckow saß in einer Rauchwolke am Schreibtisch, er wendete den ungeheuren Rücken her.

„Guten Tag, Herr Präsident“, sagte Diederich, mit einem Kratzfuß. „Na nu, quatschst du auch schon, Schnaps?“ fragte Wulckow, ohne sich umzusehen. Er faltete ein Papier, zündete langsam eine neue Zigarre an … „Jetzt

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