Page:H.M. Der Untertan.djvu/278

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voll banger Hoffnung. Guste sagte ausweichend: „Überhaupt …“ Und mit einem plötzlichen Blick: „Weil er nichts kostet, wissen Sie.“ Hierüber errötete Diederich, und sie sahen einander blinzelnd in die Augen.

„Ach Herr Gott!“ rief Guste plötzlich. „Es muß schrecklich spät sein. Schon sieben? Was sag’ ich nur meiner Mutter? … Ich weiß, ich sag’ ihr, ich hab’ bei einem Trödler den Brillanten entdeckt, und er hat gedacht, er ist unecht, und hat bloß fünfzig Pfennig verlangt!“ Sie öffnete ihren goldenen Sack und ließ den Knopf hineinfallen. „Also adieu … Aber Sie sehen aus! Wenigstens müssen Sie sich die Krawatte binden.“ Im Sprechen tat sie es schon selbst. Er fühlte ihre warmen Hände unter seinem Kinn; ihre feuchten, dicken Lippen bewegten sich ganz nahe. Ihm ward heiß, er hielt den Atem zurück. „So“, machte Guste und brach ernstlich auf. „Ich drehe nur das Gas ab“, rief er ihr nach. „Warten Sie doch!“ — „Ich warte schon“, antwortete sie von draußen; — aber als er auf den Hof trat, war sie fort. Verdutzt sperrte er die Fabrik zu und redete laut dabei vor sich hin. „Nun sag’ mir einer, ist das Instinkt oder Berechnung?“ Er schüttelte sorgenvoll den Kopf über das ewige Rätsel der Weiblichkeit, das in Guste verkörpert war.

 

Vielleicht, so sagte sich Diederich, ging es vorwärts mit Guste, freilich ging es langsam. Die Ereignisse, die sich um den Prozeß gruppierten, hatten ihr Eindruck gemacht, aber noch nicht genug. Auch hörte er nichts mehr von Wulckow. Nach dem so viel versprechenden Schritt des Regierungspräsidenten beim Kriegerverein wartete Diederich unbedingt auf weiteres: eine Heranziehung, eine vertrauliche Verwendung, er wußte nicht wie und was.

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