Page:H.M. Der Untertan.djvu/275

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Betragen!“ Aber sie lachte wieder. „Haben Sie mir vielleicht sonst noch etwas zu zeigen in Ihrer sogenannten Fabrik?“ Er nickte bedeutsam. „Wissen Sie wohl, wo Sie jetzt sitzen?“ — „Na, auf einem Lumpensack.“ — „Aber auf was für einem! In dieser Ecke, hinter den Säcken hier hab’ ich mal einen Arbeiter und ein Mädchen ertappt, wie sie gerade: Sie verstehen. Natürlich sind beide geflogen; und am Abend, jawohl, am selben Abend —“ er hob den Zeigefinger, in seinen Augen entstand ein Schauder höherer Dinge — „haben sie den Kerl totgeschossen, und das Mädchen ist verrückt geworden.“ Guste sprang auf. „War das —? Ach Gott, das war der Arbeiter, der den Wachtposten gereizt hat …? Also hinter den Säcken haben sie —?“ Ihre Augen gingen über die Säcke, als suchte sie Blut darauf. Sie hatte sich nahe zu Diederich geflüchtet. Plötzlich sahen sie einander in die Augen: darin bewegten sich die gleichen abgründigen Schauder, des Lasters oder des Übersinnlichen. Sie atmeten hörbar einander an. Guste schloß, eine Sekunde lang, die Lider: da plumpsten sie auch schon beide auf die Säcke, rollten, ineinander verwickelt, hinab und durch den dunkeln Raum dahinter, schlugen um sich, keuchten und prusteten, als seien sie dort unten am Ertrinken.

Guste zuerst erreichte wieder das Licht. Den Fuß, an dem er sie festhalten wollte, stieß sie ihm ins Gesicht und sprang heraus, daß es krachte. Als Diederich sich glücklich ihr nachgearbeitet hatte, standen sie da und schnauften. Gustes Busen, Diederichs Bauch gingen beide im Sturm. Sie erlangte vor ihm die Sprache zurück. „Das müssen Sie mit ’ner andern versuchen! Wie komm’ ich überhaupt dazu!“ Immer erbitterter: „Ich hab’ Ihnen doch gesagt, daß es dreihundertfünfzigtausend sind!“ Diederich be-

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