Page:H.M. Der Untertan.djvu/199

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tern. In acht Jahren hatten sie außer ihren Löhnen und Gehältern die Summe von 130 000 Mark unter sich zu verteilen gehabt. Dies machte auf weite Kreise den günstigsten Eindruck. Diederich begegnete mißbilligenden Gesichtern. Sogar der Redakteur Nothgroschen, den er zur Rede stellte, erlaubte sich ein anzügliches Lächeln und sagte etwas von sozialen Fortschritten, die man mit nationalen Phrasen nicht aufhalte. Besonders peinlich waren die geschäftlichen Folgen. Bestellungen, auf die Diederich rechnen durfte, blieben aus. Der Warenhausbesitzer Cohn teilte ihm ausdrücklich mit, daß er für seine Weihnachtskataloge die Papierfabrik Gausenfeld bevorzuge, weil er mit Rücksicht auf seine Kunden sich politische Zurückhaltung auferlegen müsse. Diederich erschien jetzt ganz früh im Bureau, um solche Briefe abzufangen, aber Sötbier war immer noch früher da, und das vorwurfsvolle Schweigen des alten Prokuristen erhöhte seine Wut. „Ich schmeiß den ganzen Krempel hin!“ schrie er. „Sie und die Leute sollen dann sehen, wo sie bleiben. Ich mit meinem Doktor hab’ morgen einen Direktorposten mit 40 000 Mark!“ — „Ich opfere mich für euch!“ schrie er die Arbeiter an, wenn sie gegen das Reglement Bier tranken. „Ich zahle drauf, nur um keinen zu entlassen.“

Gegen Weihnacht mußte er dennoch einem Drittel der Leute aufsagen; Sötbier rechnete ihm vor, daß die Zahlungsfristen zu Beginn des Jahres sonst nicht eingehalten werden könnten, „da wir nun mal 2000 Mark als Anzahlung für den neuen Holländer aufnehmen mußten“; und er blieb dabei, obwohl Diederich nach dem Tintenfaß griff. In den Mienen der Übriggebliebenen las er Mißtrauen und Geringschätzung. So oft mehrere zusammenstanden, glaubte er das Wort „Denunziant“ zu hören. Napoleon Fischers

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