Page:H.M. Der Untertan.djvu/106

From Wikisource
Jump to navigation Jump to search
This page has been proofread.

bekommen. Er betrachtete sie als endgültig gesunken. „Auf keinen Fall mehr das geringste!“ beteuerte er sich, und er beschloß, noch für den kurzen Rest seines Aufenthaltes die Wohnung zu wechseln: „selbst wenn es mit einem Geldopfer verbunden sein sollte“. Glücklicherweise suchte ein Kollege grade ein Zimmer; Diederich verlor nichts und zog sofort um, weit hinauf nach dem Norden. Kurz darauf bestand er sein Examen. Die Neuteutonia feierte ihn mit einem Frühschoppen, der bis gegen Abend dauerte. Zu Hause ward ihm gesagt, daß in seinem Zimmer ein Herr auf ihn warte. „Es wird Wiebel sein,“ dachte Diederich, „er muß mir doch Glück wünschen.“ Und von Hoffnung geschwellt: „Vielleicht ist es der Assessor von Barnim?“ Er öffnete, und er prallte zurück. Denn da stand Herr Göppel.

Auch er fand nicht gleich Worte. „Nanu, im Frack?“ sagte er dann, und zögernd: „Waren Sie vielleicht bei mir?“

„Nein“, sagte Diederich und erschrak aufs neue. „Ich habe nur meine Doktorprüfung gemacht.“

Göppel erwiderte: „Ach so, ich gratuliere.“ Dann brachte Diederich hervor: „Wie haben Sie denn meine neue Adresse gefunden?“ Und Göppel antwortete: „Ihrer früheren Wirtin haben Sie sie allerdings nicht gesagt. Aber es gibt ja auch sonst noch Mittel.“ Darauf sahen sie einander an. Göppels Stimme war ruhig gewesen, aber Diederich fühlte schreckliche Drohungen darin. Er hatte den Gedanken an die Katastrophe immer hinausgeschoben, und jetzt war sie da. Er mußte sich setzen.

„Nämlich,“ begann Göppel, „ich komme, weil es Agnes gar nicht gut geht.“

„Oh!“ machte Diederich mit verzweifelter Heuchelei. „Was fehlt ihr denn?“ Herr Göppel wiegte bekümmert

100