Ein Postillion und ein Stubenmädchen

From Wikisource
Jump to navigation Jump to search
Ein Postillion und ein Stubenmädchen.
Author: Fritz Reuter
Text type: Gedicht
Comment:

from: Polterabend-Gedichte

1855

:

(Der Postillion tritt zuerst ins Zimmer, das Mädchen folgt.)

Postillion:
Ih, rehr un rehr, un drähn un drähn!
So wat krüpt jo nich up 'n bäwelsten Bähn
As dit Gesing und dit Gedauh.
(Er setzt sich.)

Mädchen:
Laat du sei sing'n un hür hübsch tau.
(Setzt sich ebenfalls.)

Postillion:
Ok dat noch! Du büst gaut tau Weg!
Hür du man tau, du kannst mi glöben,
Sei waren di bald dei Uhren vedöben.
Nee! – Wat tau dull is, is tau dull!
Ick hew noch beide Uhren vull:
Dat eine Lied den ganzen Weg,
Dei ganze Tied
Dat eine Lied,
Dat is en Wesen, na, ick segg!
Dat is üm rein verrückt tau waren;
Doa wad man heil un deil taum Nahren!
Denn süng hei: »Gretelein!«
Denn süng hei: »Will bald frein.«

Mädchen:
Na, hür, denn weit'ck't, denn is't, so woah
As ick hier sitt, en Liebespoa.

Postillion:
Na! Markst du wat? seggt Michel Kohn,
Woräwe du so lang' di schon
Dei ganze Tied den Kopp tebraken,
Dat hew ick gliek herute raken.
Ick weit genau, wo sei all heiten,
En Postillon möt allens weiten.
Dei Brüüjam, dei di so geföll,
Heit N. N., un denn dei Mamsell,
Dei di so schön tau singen weit,
Dei Mamsell N. N. heiten dauhen deiht,
Un denn dei annere Madam,
Dei noch tauletzt ut'n Wagen kam,
Dat wad woll dei Herr Vater wesen,
Un dei lütt Herr mit dei korten Bein
Un mit de Brill up siene Nesen
Un mit dat bunte Mantelfutter,
Das is denn di Frau Mutter.

Mädchen:
Na, so drähn! Ih, du mein!
Du rehrst jo allens kort un klein.

Postillion:
Schweig still! Ick weit woll, wat ick weit,
Ick weit von'n ganzen Kram Bescheid,
Mi geiht so licht kein Wurt verluren,
Ick hew verdeuwelt schlus'ge Uhren,
Ick bün so uhrig als 'ne Imm
Un horch so nipping un venimm,
Dat mi entgeiht kein Wurt, kein Muck,
Wenn ick so sitt up minen Buck.
Doa hew'ck all männ'gen Spaß anhürt,
Vorzüglich wenn'ck Veleiwte führt.

Mädchen:
Von so'ne Streich süst du man schwiegen;
Vähl leiwe schämen süst du di.

Postillion:
Wat ick hew hürt, beholl'ck för mi,
Du sast ok nich tau weiten kriegen.
(Gähnt und reckt sich.)

Mädchen (spöttisch):
Du büst woll mäur? Di schlepert woll en bäten?
Dien Oogen sünd woll kuum noch apen?
Du hest nu lang' naug munte seten,
Nu künnst ok woll en Strämel schlapen.

Postillion:
Wo so? Wo ans? Wat sall dei Schnack bedühren?

Mädchen:
Ick mein man, wiel du süs tau Tieden,
Wenn wi en bäten schnacken mügten,
Hest schnorkt, dat sich dei Balken bögten.

Postillion (gähnt):
Du rehrst herin in't wille Hunnert!
Ick bün hüt Abend upgemuntert.
Mi geiht dat olle Lied man in den Kopp herüm,
Wat dei Mamsell hüt ümme süng,
Ick kann dei Wühr nich recht tausamen finn'n
Un mi nich recht up ehren Text besinn'n.

Mädchen:
Na, kennst du denn dei Melodie?

Postillion:
Dei Melodie? Du meinst dei Melodie?
Ob ick dei Melodie kann blasen?
Dei Melodie, dei kann ick ganz genau.
Ick wills' mal blasen. Hür mal tau!
(Er bläst.)

Mädchen:
Dat Gott erbarm! Wat's dat för ein Getut!
Wat kümmt doa vör Musik herut!

Postillion (gähnt):
Nee! Blasen – nee, blasen kann ick's nich,
Dat hett so siene Schwierigkeiten;
Bi't Blasen, doa verwirrt man sich,
Doch paß mal up, ick will s' mal fläuten.
(Er pfeift die Melodie, wobei er einschläft,
indem das Pfeifen in ein sonores Schnarchen übergeht.
Das Mädchen rüttelt ihn aus dem Schlaf;
sein Schnarchen geht in ein monotones Pfeifen über,
und als er sich ganz ermuntert hat, fragt er.)
Na, kennst du denn dees' Melodie?

Mädchen:
Dei kenn ick akkerinenrat,
Mit dei büst alle Abend p'rat.
Du wist en Brüjam sin? En Schatz von mi?
Un schlöpst bi't Fläuten von 'ne Melodie,
Un schlöpst, so drar du man hest seten,
Un schlöpst up't Pierd, un schlöpst bi't Eten?

Postillion:
Nee, dat's nich woah! Bi't Eten hew'ck nich schlapen,
Doa holl ick stets dei Oogen apen.

Mädchen:
Du wist en Brüjam sin? 'ne Schlapuhl büst!
Staats mi' ne Nachtmütz friegen süst.
Mit dien Getut un dien Gefläut!
Mit dien Gefläut und dien Getut!
Meinst du, dat ick nah grar nich weit,
Wo sich en Brüjam üm dei Bruut
Möt bücken, krupen, wenn'n, dreihn
Un all'ns an ehre Oogen seihn?
Du wist en Brüjam sin? 'ne Nachtmütz büst,
Staats mi 'ne Schlapuhl friegen süst!
Ick süll Postholle sin, ick wull di schön mal wecken,
Bet in dei Tehnen süll di't trecken!
Du seggst, du hest so'n fiene Uhren,
Bi di geiht nich en Wurt verluren?
Un dei Mamsell hahr ümme sungen
Dat eine Lied, bet di dei Uhren klungen,
Un du kannst noch dei Melodie nich blasen?
Denn kannst di sülwst wat blasen laaten
Un kannst des Morgens up dei Straaten
Dei Käuh tau dei Haur tausamen tuten
Un di man säuken ann're Bruuten!
Wat denkt dei Publikus, wenn hei dat hürt,
Wenn hei mit Extrapost mal führt?
Un wat seggt dei Postmeiste, wenn't geschüht,
Dat hei di up den Buck mal schlapen süht?
Wat seggt hei woll tau das Geschlap, tau dat Geblas'?
Hei jögt jo Knall un Fall di weg, du Klas! –
Ick hew dat Lied man einmal hürt so'n bäten,
As ick dei Herrschaft maakt dei Berrn
Un man so'n Oogenblick up't Horchen stünn,
Un will doch nie nich sin en richtig Stubenmäten
Un will doch allens, wat ick hew, vewerrn,
Wenn ick dat Lied nich singen künn.

Postillion:
Hö! Du un singen!

Mädchen:
Na, glöwst du't nich?

Postillion:
Hö! Du un singen!

Mädchen:
Na, glöwst du't würklich nich?

Postillion:
Ih, wat sall'ck glöwen? – Mienentwegen sing
Den Drähnschnack mi noch einmal in dat Trummelfell,
Doch sing mit dat Gefäul as dei Mamsell,
Un möst di ok en bäten zieren
Un möst dei Oogen ok vekiehren.

Mädchen (singt nach der bekannten Melodie):
Schaust so freundlich aus,
    Gretelein!
Nimm den Blumenstrauß,
    Er sei dein.
Bist ein Kind nich mehr,
    Gretelein!
Tust mir eine Ehr,
    Sag nicht nein!
Schaust so freundlich aus,
Schaust so freundlich aus,
    Gretelein!
    Sag nicht nein!

Postillion:
Gott's! Nee! – Na, so'n Schnack!
Bi den'n is't ok nich richtig unner't Dack.

Mädchen:
Denk nur auch, das Herz,
    Gretelein,
Will in Liebesschmerz
    Bei dir sein.
Noch vor einem Jahr,
    Gretelein,
Schlief ich, armer Narr,
    Ruhig ein.
Denk nur auch, das Herz,
Denk nur auch, das Herz,
    Gretelein,
    Will bei dir sein.

Postillion:
Schlief ich, armer Narr, ruhig ein!
Dat kann mi woll gefall'n,
Dat kann ein'n woll gescheihn!

Mädchen:
Doch nun, ach, ist weit,
    Gretelein,
Schlaf und Fröhlichkeit,
    Tanz und Wein.
Lache nicht so laut,
    Gretelein!
Sei hübsch meine Braut,
    Laß dich frei'n.
Sei hübsch meine Braut,
Sei hübsch meine Braut,
    Gretelein,
    Sag nicht nein!

Postillion:
Süh, wenn ick sei wier un du wierst bei,
Un sei wier du un ick wier sei,
Süh, du süst seihn, ick dehr dat nich,
Ick nehm em nich;
Denn dit Gebirr is sicherlich
Vor einen Mann tau jämmerlich.
Un du sast seihn,
Dat wad gescheihn,
Sei seggt noch nein.

Mädchen (singt):
La, la, la...
Un sei seggt ja.

Postillion:
Na, strier un strier!
Wenn ick sei wier...

Mädchen:
Laat mi mit dienen Schnack in Ruh,
Du büst nich sei, und sei nich du.
Doavon will ick di äweführen,
Du sast dat von ehr sülwsten hüren.

(Zur Braut.)
Nicht wahr, mein kleines Gretelein,
Du sagst nicht nein?