Bundsdagsdebatt 29. Januar 2009: Bidrag Wolfgang Börnsen

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Zehn Jahre anerkannte Regional- und Minderheitensprachen in Deutschland. Schutz – Förderung – Perspektiven.
Author: Wolfgang Börnsen
Text type: Reed
Comment:

from: Bundsdagsdebatt 29. Januar 2009 över den Andrag: Zehn Jahre anerkannte Regional- und Minderheitensprachen in Deutschland. Schutz – Förderung – Perspektiven. (TOP 10), [1]

2009

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Liebe Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es wird sprachlich ein wenig bunter in unserem Parlament. Ich weiß, dass viele das außerordentlich befürworten und auch respektieren. Wat mutt, dat mutt!

Teihn Johr is dat all her, dat uns lütte Spraken in Düütschland „hoffähig“ wurrn sünd: dat Plattdüütsche, Däänsch, Freesch und de Spraak vun de Sorben und vun de Sinti und Roma. An’n 1. Januar 1999 weer dat so wiet: Die Europäische Sprachencharta für Regional- und Minderheitensprachen erhielt Rechtskraft in Deutschland. Man, dat weer een Festdag för de Lütten. Die Charta gilt für die traditionell in unserem Land gesprochenen Minderheitensprachen. Gleichwohl hat sie, wie ich finde, auch eine positive Wirkung für eine praktizierte Sprachentoleranz gegenüber den vielen neuen Minderheitensprachen in Deutschland, ob Türkisch, Russisch, Kasachisch oder andere.

Vun 47 Länner in de Europarat hemm nur 23 Ja seggt to de Charta. De annern hemm seggt, dat weer „zu kompliziert“. Dat heet, 50 Prozent hemm bit jetzt Nee seggt. Dat finn ik een Truerspeel; dat dörf nich so blieven.

Der Deutsche Bundestag hat vor zehn Jahren, wie ich finde, vorbildlich gehandelt. Er hat seinen Sprachminderheiten Anerkennung, Schutz und Förderung zugesagt und dazu beigetragen, dass diese Sprachencharta den Stellenwert einer Magna Charta für inoffizielle Sprachen einnimmt. Magst glöven oder nich, 70 lütte Spraken alleen in Europa sünd in ehrn Bestand bedroht. Op uns Welt gifft dat bi 7 000 Spraken; vun 4 000, dat heet fast 60 Prozent, seggt man: Wenn wi se nich schützen doon, dann gahn se doot. Dat, finn ik, weer een groten Verlust för de Minschheit.

Auch drei Minderheitensprachen bei uns und die Regionalsprache Niederdeutsch stehen auf der Roten Liste im Atlas der Weltsprachen. Auch sie sind in ihrem Bestand existenziell gefährdet, wenn, ja, wenn se in de Kinnergoorn, in de Scholen un to Huus in de Familie nich mehr snackt warrn, wenn se bi de Lehrerutbildung, in’t Radio, in de Kieckkist un in de Presse nich mehr vörkamen doon.

Bedroht ist auch das Plattdeutsche, eine eigenständige Sprache, die Kurt Tucholsky geliebt und Klaus Groth selbstbewusst gemacht hat. In der Hansezeit war sie die beherrschende Sprache in ganz Nordeuropa. Heute wird sie noch von 9 Millionen Menschen verstanden und von knapp 3 Millionen Menschen gesprochen. Allein 170 literarische Neuerscheinungen gibt es jährlich.

Man, dat Ministerkomitee ut Brüssel, dat de Chartapraxis jede dree Johr kontrolleern deit, seggt: Ok dat Plattdüütsche is noch lang noch nich hulpen. Dor mutt mehr doon warrn: in de Bildung, bi de School, bi de Behörden un ok bi de Plegekräfte för de ölleren Lüüd. Moderspraak, dat is Heimat. Moderspraak, dat is een Kulturgoot.

Sprache ist – das wissen wir – Identität, ist der Schlüssel zum Weltverstehen. Mehrsprachigkeit ist das Gebot der Stunde. Das ist europäisch gehandelt. Deshalb haben Minderheitensprachen Förderung verdient; denn wer Plattdüütsch oder een annere lütte Spraak snacken deit, de kann eben mehr as Broot eten.

Der Deutsche Bundestag unterstreicht heute mit dieser Debatte sein Bekenntnis zur Sprachenvielfalt in unserem Land. Er anerkennt damit das Bemühen Tausender von Menschen, von Bürgern, von Gruppen und Verbänden für den Spracherhalt und erwartet, dass die Erfordernisse, die wir ihnen heute vorgelegt und präsentiert haben, auch übernommen werden. Dazu gehört auch die Initiierung eines Sprachenkongresses, um aller Welt deutlich zu machen, was wir alles tun und was noch zu tun ist.

Man, dat is kloor, all mööt wi mit anpacken, dat dat wedder bargop geiht mit de Lütten. Bi mi in Sleswig-Holsteen süht dat gor nich so ring ut mit dat Plattdüütsch un de annern Spraken. In meiner Heimatstadt Flensburg gibt es eine Zeitung, die in Dänisch und Deutsch erscheint, un es gifft Masse Amtsstuven, dor is een, de snackt Plattdüütsch, de snackt Däänsch, de snackt Freesch. Dormit warrt de Lüüd ok hulpen, un dat is ok goot so.

Man, mi maakt doch besorgt, dat hüüt Plattdüütsch nich mehr in jede Kinnermund is. Aber hoffnungsvoll stimmt – auch für meine Kollegen und für Sie alle; auch für die Zuhörer –: Jeder Mann, jede Frau könnte Plattdeutsch lernen und Fan dieser Sprache werden. Einen hat die plattdeutsche Sprache gefunden, den Sie alle kennen: Asterix. Asterix snackt op platt, Obelix ok, un beide fallt de Himmel op Plattdüütsch op de Kopp, wenn se nich oppassen doon.

Danke schön.