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herausragende Position machte sie zum attraktiven Migrationsziel für Menschen aller sozialen Schichten. Zahlreiche ethnisch-kulturelle Gruppen schlugen über die Jahrhunderte den Weg nach Wien ein; dabei waren die Zuwanderer aus der italienischsprachigen Schweiz eine derjenigen, die ein ganzes Gewerbe bis ins späte 19. Jahrhundert prägten.

Als eigenständige Tätigkeit ist das Handwerk der Rauchfangkehrer vergleichsweise jung. Noch im Spätmittelalter war das Kehren der Rauchabzüge unregle-mentiert, später reinigten entweder die HausbewohnerInnen selbst oder es oblag anderen Handwerken, wie etwa in Klosterneuburg, Bamberg und Altenburg den Badeknechten, in herrschaftlichen Gebäuden meist den Heizern und Holzträgern oder den Maurern und Hafnern.[23] In Wien lässt sich der erste Rauchfangkehrermeister, Johannes von Mailand, bereits 1512 nachweisen.[24] Mit der neuen Bauweise in der Residenzstadt, meist geplant von italienischen Baumeistern und oft ausgeführt von italienischsprachigen Bauarbeitern,[25] wurde eine neue Art der Überwachung von Feuerstellen notwendig - das Kehren von Kaminen. Die zuvor üblichen Rauchabzüge waren so gross bemessen, dass sich dort meist kein Flugruss absetzte. Erst die Einführung von Kachelöfen im 16. Jahrhundert, die zur besseren Nutzung der Heizenergie einen kleineren Abzug hatten, bedurfte einer eigenen Handfertigkeit. Über derartige Kenntnisse verfügten ursprünglich saisonal wandernde Rauchfangkehrer, vornehmlich italienischsprachige Migranten, die seit dem 16. Jahrhundert auf ihren Reisen durch Wien kamen.[26] Ein Teil dieser ehemals saisonal wandernden Handwerker liess sich seit dem 17.tJahrhundert dauerhaft in den Städten nieder.

Eine erste Handwerksordnung der Wiener Rauchfangkehrer wurde 1664 vom Rat der Stadt und einige Jahre später, 1673, von Kaiser Leopold I. bestätigt.[27] Ähnlich wie in der Seidenzeugmacherzunft waren es bei den Rauchfangkehrern grossteils italienischsprachige Meister, welche die erste Ordnung unterzeichneten: Mattheo Batz, Guglielmo Batta, Pietro Pollet, Giacomo Batz, Giacomo Giondin, Joannes Zanollo, Lavoro Martinolo, Jonon Zoppo sowie Hans Schlagbekhene und J. Greiz.[28] Nicht nur in Wien, sondern auch in anderen grossen Städten Mitteleuropas kamen die ersten Rauchfangkehrer aus Norditalien, aus dem Tessin (Ticino), aus Savoyen (Savoia), Piemont (Piemonte) und Graubünden (Grigioni).

Spätestens im 17. Jahrhundert hatten sich die Alpentäler in Graubünden und im Tessin als dominanteste Herkunftsregionen der Wiener Rauchfangkehrer herauskristallisiert. Auch wenn in der älteren Literatur zur Geschichte des Wiener Gewerbes oft von den «Italienern» gesprochen wird,[29] handelte es