Page:H.M. Professor Unrat.djvu/257

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Maße, wie die andern alles verloren. Sie war um so pflegebedürftiger, je mehr alle andern es verdienten, zerschmettert zu werden. Auf sie hatte sich der überreizte Zärtlichkeitstrieb des Menschenfeindes geworfen. Das war schlimm für Unrat: er sagte es sich selbst. Er sagte sich, daß die Künstlerin Fröhlich nichts hätte sein dürfen als ein Instrument, die Schüler zu „fassen“ und hineinzulegen. Statt dessen stand sie nun gleich neben Unrat selbst, hoch und heilig im Angesicht der Menschheit, und er war genötigt, sie zu lieben und zu leiden unter seiner Liebe, die sich auflehnte gegen den Dienst seines Hasses. Unrats Liebe war dem Schutz der Künstlerin Fröhlich geweiht und ging für sie auf Raub aus: es war eine ganz männliche Liebe. Dennoch führte auch diese Liebe zuletzt zur Schwächung…

 

Es kam vor, daß er sich bei ihrer Heimkehr versteckte und bis abends nicht mehr zum Vorschein kam. Sie verhandelte durch die Tür, mit ihrem leichten, ein bißchen mitleidigen Stimmchen. Aber er wollte nicht einmal essen. Er habe wissenschaftlich zu arbeiten. Sie warnte ihn freundschaftlich, er werde sich krank machen; und entschloß sich mit einem Seufzer, seinen Anfall vorübergehn zu lassen. Er hatte wahrscheinlich wieder ihre Garderobe untersucht und in ihrer schmutzigen Wäsche herumgestochert. Vielleicht hatte er heute morgen das Billett gelesen. Plötzlich kriegte er dann ’nen Rappel, konnte sie, wenn sie so zerknüllt nach Haus kam, nicht mehr ansehn, drehte sich, ganz schamrot, nach allen Ecken und verduftete. Es war

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