Page:H.M. Minerva.djvu/59

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Saal liegt noch in wüsten Träumen und wartet auf Sie. Venus ist noch abwesend.“

„Was reden Sie? Woher wissen Sie?“ murmelte die Herzogin, und sie kämpfte mit einem unvernünftigen Grauen. Noch bevor sie sich besonnen hatte, fragte sie:

„Wer sind Sie?“

„Ich? O, ich …“ machte Siebelind, und er zog sich innerlich ganz zusammen vor Scham und dem quälenden Drange, sich interessant zu machen.

„Ich komme nicht in Betracht,“ seufzte er. „Da haben wir Clelia; sie ist herrschsüchtig und nichts weiter. Daneben Properzia; sie ist von einfältiger Begehrlichkeit und kennt keine Scham. Der junge Mann gehorcht verschiedenen Zugfäden; bald zieht Properzia an seiner Eitelkeit und seiner Ruhmsucht, bald Clelia an seinem praktischen Sinn und seinem Snobismus. Er wird so lange zwischen der berühmten Frau und dem reizenden Mädchen hin und her pendeln, bis alle drei ungewöhnlich unglücklich werden. Niemand wird wissen, warum, und man wird sich einbilden, das sei ein Liebesdrama. Aber es ist nur ein gesellschaftlicher Vorgang, wie eine Ordensverteilung oder ein Leichenbegängnis. Die Dramen, Herzogin, spielen hinter verschlossenen Thüren, in der Brust der Ungeliebten. Ah! An den Schwellen der Süle, wo die Sinne schäumen, sich vorbeidrücken, kalt vor Verachtung und im Herzensgrunde die irre Hoffnung, eine mitfühlende Hand könnte winken, und dabei entschlossen, diese unmögliche Hand mit Strenge auszuschlagen. Die

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