Page:H.M. Der Untertan.djvu/98

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gehen; der Wirt mußte die Straßen und Dörfer nennen. Sie lobten freudig sein Haus und seine Betten. Sie seien wohl auf der Hochzeitsreise? „Stimmt“ — und sie lachten herzhaft.

Die Pflastersteine der Hauptstraße streckten ihre Spitzen nach oben, und die Julisonne färbte sie bunt. Die Häuser waren höckrig, schief und so klein, daß die Straße zwischen ihnen sich ausnahm wie ein Feld mit Steinen. Die Glocke des Krämers klapperte lange hinter den Fremden her. Wenige Leute, halb städtisch gekleidet, schlichen durch den Schatten und wandten sich um nach Agnes und Diederich, die stolze Gesichter machten, denn sie waren die Elegantesten hier. Agnes entdeckte das Modengeschäft mit den Hüten der feinen Damen. „Nicht zu glauben! Das hat man in Berlin vor drei Jahren getragen!“ Dann traten sie durch ein Tor, das wacklig aussah, in das Land hinaus. Die Felder wurden gemäht. Der Himmel war blau und schwer, die Schwalben schwammen darin wie in trägem Wasser. Die Bauernhäuser dort drüben waren eingetaucht in heißes Flimmern, und ein Wald stand schwarz, mit blauen Wegen. Agnes und Diederich faßten sich bei den Händen, und ohne Verabredung fingen sie zu singen an: ein Lied für wandernde Kinder, das sie noch aus der Schule kannten. Diederich machte seine Stimme tief, damit Agnes ihn bewundere. Als sie nicht weiter wußten, wandten sie einander die Gesichter zu und küßten sich, im Gehen.

„Jetzt seh’ ich erst recht, wie hübsch du bist“, sagte Diederich und sah zärtlich in ihr rosiges Gesicht, mit den blonden Wimpern um diese blonden, goldgestirnten Augen. „Der Sommer steht mir gut“ — und Agnes atmete frei auf, daß ihre Hemdbluse geschwellt ward. Schlank ging sie

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