Page:H.M. Der Untertan.djvu/44

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und des Idealismus den höchsten Preis errungen, das erschütterte jeden, als gälte es ihm selbst.

Hiermit ging Diederichs Lehrzeit zu Ende, denn Wiebel trat aus, um sich auf den Referendar vorzubereiten; und fortan hatte Diederich die von ihm übernommenen Grundsätze selbständig zu vertreten und sie den Jüngeren einzupflanzen. Er tat es im Gefühl hoher Verantwortlichkeit und mit Strenge. Wehe dem Fuchs, der es verdient hatte, in die Kanne zu steigen. Keine fünf Minuten vergingen, und er mußte sich an den Wänden hinaustasten. Das Schreckliche geschah, daß einer vor Diederich aus der Tür ging. Seine Buße waren acht Tage Bierverschiß. Nicht Stolz oder Eigenliebe leiteten Diederich: einzig sein hoher Begriff von der Ehre der Korporation. Er selbst war nur ein Mensch, also nichts; jedes Recht, sein ganzes Ansehen und Gewicht kamen ihm von ihr. Auch körperlich verdankte er ihr alles: die Breite seines weißen Gesichts, seinen Bauch, der ihn den Füchsen ehrwürdig machte, und das Privileg, bei festlichen Anlässen in hohen Stiefeln mit Band und Mütze aufzutreten, den Genuß der Uniform! Wohl hatte er noch immer einem Leutnant Platz zu machen, denn die Körperschaft, der der Leutnant angehörte, war offenbar die höhere; aber wenigstens mit einem Trambahnschaffner konnte er furchtlos verkehren, ohne Gefahr, von ihm angeschnauzt zu werden. Seine Männlichkeit stand ihm mit Schmissen, die das Kinn spalteten, rissig durch die Wangen fuhren und in den kurz geschorenen Schädel hackten, drohend auf dem Gesicht geschrieben — und welche Genugtuung, sie täglich und nach Belieben einem jeden beweisen zu können! Einmal bot sich eine unerwartet glänzende Gelegenheit. Zu dritt, mit Gottlieb Hornung und dem Dienstmädchen ihrer Wir-

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