Page:H.M. Der Untertan.djvu/130

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Alte sah aus dem Fenster. Diederich wagte seine Neugier nicht zu zeigen.

„Dumme Streiche? Das kann ich gar nicht glauben, denn mir hat er immer imponiert, gerade durch seine Intelligenz. Schon früher, seine Aufsätze. Und was er mir neulich über unseren Kaiser gesagt hat, daß er eigentlich gern der erste Arbeiterführer wäre…“

„Davor behüte Gott die Arbeiter.“

„Wieso?“ Diederich war tieferstaunt.

„Weil es ihnen schlecht bekommen würde. Uns anderen ist es auch nicht gut bekommen.“

„Aber wir haben doch, dank den Hohenzollern, das einige Deutsche Reich.“

„Wir haben es nicht“, sagte der alte Buck und stand ungewöhnlich rasch vom Stuhl auf. „Denn wir müßten, um unsere Einigkeit zu beweisen, einem eigenen Willen folgen können; und können wir’s? Ihr wähnt euch einig, weil die Pest der Knechtschaft sich verallgemeinert! Das hat Herwegh, ein Überlebender wie ich, im Frühjahr Einundsiebzig den Siegestrunkenen zugerufen. Was würde er heute sagen!“

Diederich konnte, vor dieser Stimme aus dem Jenseits, nur stammeln: „Ach ja, Sie sind ein Achtundvierziger.“

„Mein lieber junger Freund, Sie wollen sagen, ein Narr und ein Besiegter. Ja! Wir sind besiegt worden, weil wir närrisch genug waren, an dieses Volk zu glauben. Wir glaubten, es würde alles das selbst vollbringen, was es jetzt für den Preis der Unfreiheit von seinen Herren entgegennimmt. Wir dachten es mächtig, reich, voll Einsicht in seine eigenen Angelegenheiten und der Zukunft ergeben. Wir sahen nicht, daß es, ohne politische Bildung, deren es weniger hat als alle anderen, bestimmt sei, nach

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