Kein Hüsung/De Schimp

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’T is Middag wedder;[1] helle Sünn
Kickt fründlich in de Stalldör[2] ’rin.
’T is Sünndagmorr’n, ’t is nicks tau dauhn.
De ollen[3] Mähren stahn un rauhn,[4]
Dalluhrig[5] stahn s’, deip[6] in Gedanken,
Wotau[7] sei sünd? tau Höcht den Bein,
Un af un an, denn stampt mal ein
Un snappt verdreitlich[8] nah de Flanken [9]
Un swäpt[10] sick mit den Start[11] herümmer
Un jagt von ’n Puckel sick den Brümmer[12]
Un streckt sick dal[13] un leggt sick hen
Un wahlt sick [14] up de frische Streu;
Oll[15] Schimmel-Hans halt[16] denn un wenn[17]
Von sine Röp[18] en Loppen[19] Heu
Un kickt[20] sick üm so mäud un still
Un nickt, as wenn hei seggen will:
»Ji, junges Volk, täuwt man en Beten,[21]
Denn[22] ward Ji ’t Upstahn woll vergeten.«[23]
Un bewert[24] up sin krummen Knei
Un schuddert[25] sick de Fleig[26] von ’t Fell,
Un orndlich süfzt dat olle Veih,
As wenn em lang’ vergahne Johr,[27]
Sin schöne Jugendtid inföll,[28]
As noch was swart[29] sin junges Hor,
As sine Knaken[30] noch ahn Tadel,
As Kein em noch tau Arbeit dwungen,[31]
Un hei noch fri von Tom un Sadel[32]

As Fahlen was herümmersprungen. –

Un rings so still un dunstig is ’t;

Oll Daniel reckt sick harthaft[33] mal
Un halt sin Putzmetz[34] sick hendal[35]
Un stellt sick an de Fauderkist,[36]
Dorup[37] sin Stückschen Speigelglas,
Un fohrt[38] sick mit den Quast verdwas[39]
’Rin in dat olle gris’[40] Gesicht
Un sett’t de Tung[41] ’rin in de Backen
Un fängt nah Kräften an tau racken,[42]
Bet[43] hei den Bort herunner kriggt –
De is en beten lang em word’n,
Is von de ganz verleden[44] Woch,
Nu schrint[45] em dat – indessen doch –
’Run möt ’e,[46] denn ’t ’s Sünndagmorr’n. –
Gott Lob un Dank! Nu is hei ’runner!
Hei stoppt dat Blaut nu noch mit Tunner,[47]
Verwohrt[48] dat Metz, dat Glas, den Quast,
Treckt[49] sick de Hosendräger fast[50]
Un binn’t ’ne reine Schört[51] sick vör
Un trett[52] nu ’ruter ut de Dör.[53]
So steiht hei dor in vullen Staat;

Nu kann ’ne Gräwin[54] kamen,[55] hei ’s parat.

Un vör de Dör, dor sitt Jehann.

Oll Daniel schüwwt[56] sick an em ’ran
Un schüwwt en Primken[57] mang[58] de Tähn.
»Wo büst Du west, Johann, min Sæhn?«
»»Tau Dörp.[59] Marik wull Middag kaken,[60]
Dunn[61] hau’t ick ehr dat Buschholt klein.««
»Dat lat[62] den Preiste man[63] nich seihn.«
»»Du leiwer Gott, wat sall en maken?[64]
De ganze Woch geiht dat Geslaw’, [65]
De Dirn möt Dag vör Dag tau Haw’,[66]
Wenn[67] sall sei denn den Kram besorgen,
Wenn anners, as den Sünndagmorgen?««
»Je, ’t sall nu æwerst doch nich sin.«
»»Dat weit ick woll, wi sælen beden[68]
Un sælen in de Kirch herin.
De dei Gesetze maken deden,[69]
Dat sünd de Riken,[70] sünd de Herrn,
De Armuth dauhn s’ dorbi nich fragen;
Wi möten ’t[71] dauhn, wi möten ’t dragen,
Un wenn s’ uns ok mit Fäuten pedden.««[72]
»Jehann, min Sæhn, nimm Di in Acht,
Dat sick de Bös’ nich inslickt in Din Hart;[73]
Ahn dat wi ’t marken, kümmt hei æwer Nacht
Un malt uns de Gedanken swart.[74]
Du büst süs[75] so ’n taufreden Blaut,[76]
An so wat hest Du nie nich dacht.
Du ded’st Din Ding’ so wollgemauth,[77]
Din Hart was froh, kein Arbeit würd’ Di swer;
Nu kümmst Du mi ganz anners vör.«
»»So? Bün ick anners? – Daniel, ja,
Ick weit, ick bün ganz anners word’n,
Ick heww kein Rauh nich, wo ick stah un gah,
Dat jöggt[78] mi ümmer hen un her,
Un is dat hüt, denn[79] wünsch ick, dat wir morr’n,
Ach Gott! Wat[80] is dat Hart mi swer!
Ick heww ’t woll markt:[81] Du weitst Bescheid,
Wo ’t üm min arm Mariken steiht.
Dauh ’ck up den Harwst kein Hüsung krigen,
Denn kann ’ck de arme Dirn nich frigen,
Denn möt[82] en Unglück noch gescheihn,
Den Jammer kann ick nich anseihn.
Blot[83] Hüsung, Hüsung! Wider[84] sall
Mi Kein wat dauhn.[85] – Wat red ick All.
Di is ’t in ’n Lewen nich so gahn,[86]
Kannst nich min Noth un Angst verstahn.««[87]
Un de oll grise Fauderknecht,
De richt’t sick still un irnst tau Höcht
Un steiht vör em un kickt em an:
»So? Weitst Du dat? Meinst Du, Jehann?
Was ok mal jung, was ok mal stark,
Mit Knaken[88] vull von kräftig Mark,
Min Og was klor, min Hart was frisch,
Min Lewen was ’ne gräune Wisch,[89]
Un up de Wisch, dor bläuht ’ne Ros’
So schön un hell, so vull un rik,[90]
Woll ebenso as Din Marik.
Un was[91] ick von de Arbeit los
Des Abends, wenn de Schatten teihn,[92]
Denn satt[93] ick mit min Ros’ allein,
Un wat wi redten, wat wi spröken,[94]
Dat steiht mi deip in ’n Harten schrewen,[95]
Un lewig[96] is ’t mi ümmer blewen[97]
Un bliwwt ’t, bet dat min Hart deiht breken.«[98]
Jehann springt up un kriggt den Ollen
Bi sine bewrig[99] Hand tau hollen:[100]
»»Worüm hest Du sei denn nich namen?««[101]
»En Worm[102] was in min Ros’ ’rin kamen,[103]
En Worm hett mine Blaum verdorben;
In Noth un Elend is sei storben.
Min Herr, de hett sei sowid[104] bröcht.[105]
Hei was de Herr, ick was de Knecht.
Min Hart blödd’[106] unn’n,[107] sin Hand was baben,[108]
Hei brök[109] min Ros’, ick heww s’ begraben.«
»»Wer was Din Herr? Wer was Din Brut?««[110]
»Min Herr was unsern Herrn sin Vader.«
»»Un Du retst[111] em nich jede Ader,
Du retst sin swartes Hart nich ut?««
Un de oll Daniel wendt sick üm –
Sin Og, dat gläuht, sin Lipp, de bewt –
Un seggt mit bewerige Stimm:
»Min Sæhn, min Sæhn, uns’ Herrgott lewt.
›Mein is die Rache!‹ hett hei seggt;
Hei hett sin Hand nahst[112] up em leggt,
Hei is in Sünn’ un Schann’ vergahn;
Ick was un blew sin Fauderknecht
Un hoff, ick ward’ vör Gott bestahn.
›Mein is die Rache!‹ Denk doran,

Dat is en Trost för uns, Jehann.«

Un Daniel geiht; Jehann, de sitt

Nahdenklich dor,[113] den Kopp gestütt’t,
Un denkt an Danieln sine Red’.
»»Ne,«« seggt ’e, »»wenn ick ’t wesen ded’,[114]
Un mi wir ’t as den Ollen gahn,[115]
Denn[116] hadd’ ick woll wat Anners dahn.
›Mein is die Rache!‹ spreckt de Herr.
Dat is recht gaud. Ja! Aewer wer
Lett[117] sick sin Ein un All’ns verdarben
Un leggt dorbi de Hänn’ in ’n Schot? –
So tautauseihn? – Ne! – Leiwerst[118] dod!
Hei oder ick! – Ne, Ein müßt starben!««
Un ballt de Fust un sleiht up ’t Knei.
»»Ja, ’t is de ew’ge Litanei!
Von Morr’ns bet Abends in den Sälen![119]
Wi möten ’t[120] dauhn, un sei befehlen.
Ob ein de Knaken kann noch rögen,[121]
Wer fröggt dornah?[122] – Genaug – wi sælen.
Un wenn s’ denn blot uns’ Hart mal frögen
Un ’rinner segen[123] in uns’ Noth
Un günnten uns uns’ beten Brod
Un günnten uns man blot de Städ’,[124]
Un as en Minsch taum Minschen stünn’n,
Denn wull w’ ehr Macht un Rikdaum günn’n,
Denn würd’ kein Arbeit uns tau swer.
Weck[125] sælen ’t dauhn un sæl’n de Lüd’
As Minschen hollen;[126] æwerst hir!
Hir hett Kein mihr en heilen Rock,
Hir is dat däglich Brod de Stock,
Un Schandwürd’ sünd hir noch dat Best.
So is uns’ Herr, so is sin Vader west.
Dat is ’ne wohre Schinnerbann’!««[127]
Un as hei noch so sitt un sinnt,
Dunn kümmt tau em en lüttes Kind,
Dat smeichelt sick so an em ’ran
Un krawwelt[128] em in sinen Bort[129]
Un ei’t [130] so vel un kickt so wiß[131]
Em mit de groten Ogen an,
So recht nah säute Kinnerort.[132]
Will up em riden[133] so as süs,[134]
Un höllt[135] sin Hand mit beide Hänn’
Un springt herümmer vör Verlangen
Un will up ’t Knei heruppe rangen.[136]
Jehann, de böhrt[137] em ok in Enn’[138]
Un up dat Knei un lett em riden.
Wo swart ok sin Gedanken wiren,
Bi so ’n unschüllig Kindsgesicht,
Dor stellt dat Licht sick wedder[139] in,
In em schint wedder Leiw un Sünn,
De Haß vergeiht, de Schatten flüggt.
Hei böhrt[140] dat Jüngschen vör sick hoch
Un kickt em in dat Kinnerog.
»»Ne,«« seggt hei, »»ne, Du leiwes Kind,
Du wardst nich, as Din Öllern[141] sünd.
Is in Din Adern ok ehr Blaut,
Du deihst einmal de Armuth gaud;
Du drüggst[142] mi nich, Din Og is wohr.««
Un streckt taurügg[143] dat lockig Hor
Un kickt vull Leiw dat Jüngschen an
Un drückt ’t an ’t weike Hart heran
Un drückt sin Lipp up sinen Mund

Un küßt em recht ut Hartens Grund.

Un as hei ’t ded’, dunn müßt ’t gescheihn,

Dat de Mama kamm ut den Goren;[144]
De frame[145] Fru, de müßt dat seihn,
Begünn gewaltig up tau fohren:
»Arthur, hier her! Unnützer Bube!
Marsch! Fort mit Dir! Fort in die Stube!
Und Er! Wie kann so ’n Kerl es wagen,
Mein Kind, das Kind des Herrn, zu küssen?
Wart Er! Der Herr, der soll es wissen.«
As hadd ’t Gewitter in em slagen,
Fohrt[146] hei tau Höcht. Dat Blaut, dat schütt[147]
Em gläugnig[148] in ’t Gesicht; hei bitt[149]
De Tähn tausam. Dat ded’ em packen:
För so vel Leiw so ’n schändlich Wurt!
Hei müggt vör Schimp un Schann’ versacken,[150]
Un as de frame Fru was furt,
Dunn föllt[151] hei up den Sitz taurügg:
»»Dat heww ick wullt! – Dat is mi recht!««
Un Daniel steiht bi em un seggt:
»Jehann, Du kennst de Welt noch nich.
As witte Duw’[152] un swarte Raw’,[153]
So stimmt tausamen Herr un Slaw’.[154]
Ehr Vurtheil geiht woll Hand in Hand,
Sei wahnen[155] beid in einen Land,
Sei athen[156] beid de sülwig[157] Luft,
Un rauhn[158] villicht in eine Gruft;
An einen Gott, dor wenn’n[159] sei sick;
Doch Hart un Hart, dat findt sick nich.«

Original-Footnoten

  1. [wieder]
  2. [Stallthür]
  3. [alten]
  4. [stehen und ruhen]
  5. [mit hängenden Ohren]
  6. [tief]
  7. [wozu]
  8. [verdrießlich]
  9. auch Lanken: Seite, vorzugsweise Stelle zwischen Rippen und Hüfte. (R.)
  10. [schlägt, wie mit der Peitsche]
  11. [Schwanz]
  12. [große Fliege]
  13. [nieder]
  14. wälzt sich vor Vergnügen; das bloße Wälzen heißt: Wöltern. (R.)
  15. [der alte]
  16. [holt]
  17. [dann und wann]
  18. [Raufe]
  19. [Flausch]
  20. [guckt, sieht]
  21. [wartet nur ein Bischen]
  22. [dann]
  23. [vergessen]
  24. [zittert]
  25. [schaudert, d. h. macht mit der Haut eine zitternde Bewegung]
  26. [Fliege]
  27. [vergangene Jahre]
  28. [einfiele]
  29. [schwarz]
  30. [Knochen]
  31. [gezwungen]
  32. [Zaum und Sattel]
  33. [herzhaft]
  34. [Rasiermesser]
  35. [herunter]
  36. [Futterkiste]
  37. [darauf]
  38. [fährt]
  39. [verquer]
  40. [alte graue]
  41. [setzt die Zunge]
  42. [kratzen]
  43. [bis]
  44. [vergangen]
  45. [von Schmerzen an der wunden Hautoberfläche gebraucht]
  46. [herunter muß er]
  47. [Zunder, Feuerschwamm]
  48. [verwahrt]
  49. [zieht]
  50. [fest]
  51. [Schürze]
  52. [tritt]
  53. [Thür]
  54. [Gräfin]
  55. [kommen]
  56. [schiebt]
  57. [dim. von Priem (Kautaback)]
  58. [zwischen]
  59. [zu Dorf]
  60. [kochen]
  61. [da]
  62. [lasse]
  63. [nur]
  64. [einer, man machen]
  65. Slaven heißt: Sclaven-Arbeit verrichten, und wird für jede täglich wiederkehrende schwere Arbeit gebraucht. (R.)
  66. [zu Hofe gehen, verdungene Hofdienste verrichten]
  67. [wann]
  68. [beten]
  69. [machten]
  70. [Reichen]
  71. [müssen es]
  72. [mit Füßen treten]
  73. [Herz]
  74. [schwarz]
  75. [sonst]
  76. [zufriedenes Blut]
  77. [wohlgemuth]
  78. [jagt]
  79. [dann]
  80. [wie]
  81. [gemerkt]
  82. [muß]
  83. [bloß]
  84. [weiter]
  85. [thun, d. h. geben]
  86. [gegangen]
  87. [verstehen]
  88. [Knochen]
  89. [Wiese]
  90. [voll und reich]
  91. [war]
  92. [ziehen]
  93. [saß]
  94. [sprachen]
  95. [geschrieben]
  96. [lebendig]
  97. [geblieben]
  98. [bricht]
  99. [zitternd]
  100. [halten]
  101. [genommen]
  102. [Wurm]
  103. [gekommen]
  104. [soweit]
  105. [gebracht]
  106. [blutete]
  107. [unten]
  108. [oben]
  109. [brach]
  110. [Braut]
  111. [rissest]
  112. [nachher, hernach]
  113. [da]
  114. [wäre]
  115. [gegangen]
  116. [dann]
  117. [läßt]
  118. [lieber]
  119. [Sielengeschirr]
  120. [müssen es]
  121. [regen, rühren]
  122. [frägt danach]
  123. [sähen]
  124. [Stätte]
  125. [Welche, Einige]
  126. [halten]
  127. [Schinderbande]
  128. [krauet]
  129. [Bart]
  130. eigentlich sagt »ei«, vom Schmeicheln der Kinder gebraucht. (R.)
  131. [fest]
  132. [süßer Kinderart]
  133. [reiten]
  134. [sonst]
  135. [hält]
  136. [klettern]
  137. [hebt]
  138. [in die Höhe]
  139. [wieder]
  140. [hebt]
  141. [Eltern]
  142. [trügst]
  143. [zurück]
  144. [Garten]
  145. [fromme]
  146. [fährt]
  147. [schießt]
  148. [glühend]
  149. [beißt]
  150. [versinken]
  151. [da fällt]
  152. [weiße Taube]
  153. [schwarzer Rabe]
  154. [Sclave, Knecht]
  155. [wohnen]
  156. [athmen]
  157. [die selbige]
  158. [ruhen]
  159. [wenden]

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