Histoire des Alpes - Storia delle Alpi - Geschichte der Alpen (2009)/19

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Die Auswirkungen des Tourismus am Bauernhof auf die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Tiroler Bergbäuerinnen. Aufgezeigt anhand einer Fallstudie zum Urlaub auf dem Bauernhof
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[ 269 ]Die Auswirkungen des Tourismus am Bauernhof auf die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Tiroler Bergbäuerinnen

Aufgezeigt anhand einer Fallstudie zum Urlaub auf dem Bauernhof


Elisabeth Rieder, Markus Schermer, Wolfgang Meixner


Résumé


Les conséquences du tourisme à la ferme sur la vie et les relations de travail des paysannes de montagne du Tyrol


Le séjour à la ferme peut être considéré comme une des premières formes de participation des femmes à la vie active. La contribution analyse les effets que cette activité a exercée sur la vie des paysannes du Tyrol. Elle étudie notamment les résultats à partir de son impact sur les relations entre les sexes et les générations et de celui de l' évaluation des produits de l'exploitation. Par l'accueil des hôtes dans les sites de l ' agrotourismes les femmes ont accès à des opportunités de développer des activités entrepreneuriale. Cela, non seulement engage la femme dans les décisions de l ' entreprise, mais permet aussi à celles qui ne viennent pas du monde paysan de s'y intégrer. L' agrotourisme contribue non seulement à la vitalité économique, mais aussi à la durabilité sociale de la vie économique agricole alpine.


Einleitung


Mit dem Aufkommen des Massentourismus in den 1960er-Jahren etablierte sich auf den Tiroler Bauernhöfen die Zimmervermietung an Touristen, die sogenannten Fremdenzimmer. Anfänglich stellte der Urlaub auf dem Bauernhof kein eigenständiges Angebot dar, sondern erfolgte im Rahmen der Privatzimmervermietung. In den 1980er-Jahren wurde dieser Beherbergungsbereich in Vermieterringen und schliesslich in einem Verband «Urlaub [ 270 ]am Bauernhof» organisiert und zu einem speziellen eigenständigen Produkt weiterentwickelt.

Heute stellt die touristische Zimmervermietung im Berggebiet Tirols die wichtigste Form des am Bauernhof erwirtschafteten Zusatzeinkommens dar. Ungefähr ein Drittel der 15’000 landwirtschaftlichen Betriebe in Tirol bieten den Touristen Übernachtungsmöglichkeiten an. Etwa 400 Betriebe sind im Verband «Urlaub am Bauernhof» organisiert.

Tirol ist eines der neun Bundesländer Österreichs. Der Tourismus stellt einen der wichtigsten Wirtschaftszweige dar. Aber nicht nur für die gesamte Wirtschaftsentwicklung spielt der Tourismus eine entscheidende Rolle, auch für die Erhaltung der Landwirtschaftsbetriebe. Vor allem im Berggebiet sind die Entwicklungsmöglichkeiten im landwirtschaftlichen Bereich begrenzt. Der Fremdenverkehr bietet nicht nur eine Fülle von unselbständigen Zu- und Nebenerwerbsmöglichkeiten, sondern auch die aktive Teilnahme über die Vermietung von Zimmern und Ferienwohnungen. Dieses aktive Engagement im Tourismus stärkt aber nicht nur die ökonomische Basis der Betriebe, sondern führt auch zu sozialen Veränderungen in den Familien und zu einem neuen Image der Landwirtschaft insgesamt. Die Vermietertätigkeit auf dem Bauernhof war und ist ein weiblich dominierter Betriebszweig. Durch die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung verändert die Gästebeherbergung auch die Beziehungen zwischen den Geschlechtern und Generationen. Da das Einkommen aus der Vermietung meist in den Händen der Bäuerin bleibt, verschieben sich die Prioritäten der damit zu tätigenden Investitionen. Schliesslich bringt das Zusammenwirken von landwirtschaftlicher Produktion und Vermietertätigkeit eine Neubewertung der bäuerlichen Lebensmittel mit sich.

Ziel dieses Beitrags ist es, die Art und Intensität dieser Veränderungen im Hinblick auf die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Bäuerinnen zu beschreiben. Dazu wird im folgenden Abschnitt zunächst angeführt, welches Material hierfür gesammelt und ausgewertet wurde. Dem folgt eine kurze Darstellung der Entwicklung des Umfeldes für die Vermietertätigkeit auf Bauernhöfen seit den 1960er-Jahren, im Speziellen die Entwicklung des Agrarsektors und des Tourismussektors in Österreich im Allgemeinen und im Bundesland Tirol im Besonderen. Dieser Zeitabschnitt wurde deshalb so gewählt, weil sich in den 1960er-Jahren der Tourismus in Tirol allmählich zu einem Massenphänomen entwickelte. Im nächsten Abschnitt geht der Beitrag auf die Änderungen der Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Bäuerinnen durch die Vermietung ein. Dabei werden drei spezifische Bereiche herausgegriffen; anhand dieser Berei[ 271 ]che kann der Einfluss des Tourismus auf die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Bäuerinnen veranschaulicht werden:

- Geschlechter- und Generationsverhältnisse am Bauernhof;

- Entscheidungs- und Investitionsverhalten am Bauernhof;

- Wertewandel im Bezug auf hofeigen hergestellte Produkte.

Am Ende steht eine zusammengefasste Bewertung der Veränderungen der Ver¬ mietertätigkeit auf das wirtschaftliche und insbesondere auf das soziale Gefüge auf den Tiroler Bergbauernhöfen.


Material und Methodik

Die Darstellung der langfristigen Veränderungen im Agrar- sowie im Tourismussektor basiert auf einer Analyse der wöchentlich erscheinenden Agrarzeitschrift «Tiroler Bauernzeitung» von 1966 bis Ende 2007. Die «Tiroler Bauernzeitung» wird vom «Tiroler Bauernbund» herausgegeben. Dieser stellt die politische Interessenvertretung der landwirtschaftlichen Bevölkerung dar und ist Teil der «Österreichischen Volkspartei», die in vier Bünde (Bauernbund, Wirtschaftsbund, Arbeiter- und Angestelltenbund, Seniorenbund) strukturiert ist. Die Tiroler Volkspartei dominiert in Tirol den Landtag wie auch die Tiroler Landwirtschaftskammer. Die Tiroler Landwirtschaftskammer stellt die berufliche Interessenvertretung der landwirtschaftlichen Bevölkerung Tirols dar. Der dominierende Einfluss des Bauernbundes auf die Landwirtschaftspolitik drückt sich auch dadurch aus, dass der Tiroler Bauernzeitung die Landwirtschaftlichen Blätter beigelegt sind, welche die Tiroler Landwirtschaftskammer herausgibt. Auch sie wurden für die historische Kontextanalyse herangezogen.

Im Zeitraum 1966-2007 beschäftigten sich 125 Artikel (Tab. 1) mit Urlaub auf dem Bauernhof. Bis zum Jahr 2000 stieg die Anzahl der Artikel kontinuierlich an, danach trat eine Stagnierung ein. Bis zum Jahr 2000 befinden sich alle Artikel dazu auf der «Bäuerinnenseite». Ab dem Jahr 2001 sind diese Artikel auf der «Wirtschaftsseite» sowie in den Landwirtschaftlichen Blättern positioniert. Dieser erste quantitative Überblick deutet bereits auf einen Wandel im Image der bäuerlichen Gästebeherbergung hin. Während das Angebot von Urlaub auf dem Bauernhof anfänglich als Teil der Hauswirtschaft gesehen wurde, entwickelte es sich allmählich zu einem anerkannten Betriebszweig. [ 272 ]Ein weiterer wesentlicher Teil der verwendeten Daten entstammt Interviews, die im Rahmen einer Fallstudie über den Verband «Urlaub am Bauernhof» in Tirol durchgeführt wurden.[1] Dabei wurden 18 semistrukturierte Interviews, im Ausmass von 40-90 Minuten durchgeführt. Die Interviewpartnerinnen wurden aufgrund einer Stakeholderanalysis ausgewählt und repräsentierten Mitglieder, Funktionärinnen des Vereines «Urlaub am Bauernhof», Funktionärinnen und Mitarbeiterinnen der Landwirtschaftskammer sowie der Wirtschaftskammer, Verantwortliche des regionalen Tourismusmarketings der Tirol-Werbung, die Geschäftsführung der privaten Zimmervermietung und Politikerinnen. Alle interviews wurden mittels Minidisc aufgezeichnet. Zudem wurden eine Reihe von internen Dokumenten des Landes- und Bundesverbandes «Urlaub am Bauernhof» in die Analyse einbezogen.

Alle diese Datenquellen wurden zusammengeführt und thematisch wie folgt kategorisiert:

- Geschlechter- und Generationsverhältnisse am Bauernhof;

- Entscheidungs- innovations- und investitionsverhalten am Bauernhof;

- Wertewandel im Bezug auf hofeigen hergestellte Produkte.

Sowohl für die generelle Entwicklung der bäuerlichen Vermietertätigkeit in Tirol als auch für die angeführten Themenbereiche wurden Zeitlinien erstellt. Diese stellen die Basis für die folgende landwirtschaftlich-touristische Situationsbeschreibung dar.


Entwicklungen des landwirtschaftlichen und touristischen Umfeldes seit dem Zweiten Weltkrieg


Um die Versorgung der Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg zu gewährleisten, waren die bäuerliche interessenvertretung und die Agrarverwaltung zunächst bestrebt, den Landwirtschaftssektor zu modernisieren. Modernisierung im Berggebiet bedeutete insbesondere die Kommerzialisierung der bisher überwiegend auf Subsistenz aufgebauten Produktionsstrukturen. Diese Modernisierungsbestrebungen konnten vor allem über die Mechanisierung, die Rationalisierung sowie über die Spezialisierung der Produktion erreicht werden. Dies brachte wiederum den Ersatz von menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen mit sich. Das damit einhergehende freiwerdende Arbeitskräftepotenzial wurde in die wachsende und aufstrebende industrie transformiert. [ 273 ]Tab. 1: Quantitative Erhebung der Artikel in der «Tiroler Bauernzeitung», welche sich mit der Thematik «Urlaub am Bauernhof» beschäftigen

Zeitraum Artikel (n) Platzierung der Artikel 1966-1970 7 Bäuerinnenseite 1971-1980 19 Bäuerinnenseite 1981-1990 31 Bäuerinnenseite 1991-2000 40 Bäuerinnenseite 2001-2007 28 Wirtschaftliche und touristische Themenbereiche betreffende Seite sowie Landwirtschaftliche Blätter Total 125

Quelle: Eigene Darstellung.

Das rapide Wirtschaftswachstum, vor allem in Deutschland («Deutsches Wirt- schaftswunder») löste die erste Welle des Massentourismus aus.[2] Die Alpen stellten zunächst die bevorzugte Destination für den Sommer- wie auch für den aufkommenden Wintertourismus dar. Dies führte zu einer gesteigerten Nach- frage an «Fremdenzimmern». Sie lösten allmählich die «Gesindezimmer» der früheren Knechte und Mägde ab. Bis in die 1960er-Jahre hinein dominierte der Sommertourismus, während danach der Wintertourismus an Popularität gewann und auch wirtschaftlich zu boomen begann. Vor allem der Wintertourismus eröffnete ausserhalb der landwirtschaftlichen Betriebe zahlreiche attraktive Betä- tigungsfelder für die landwirtschaftlichen Familien während der arbeitsärmeren Zeit am Bauernhof. Als Beispiele dafür können die ausserlandwirtschaftlichen Tätigkeiten als Skilehrer, Liftwarte sowie diverse Nebentätigkeiten in der Gastronomiebranche angeführt werden. Ein weiteres ausserlandwirtschaftliches Einkommen liess sich durch die Abgeltung der Verwendung landwirtschaftlicher Nutzflächen als Skipisten und Langlaufloipen erzielen. Die berufliche Inter- essenvertretung der landwirtschaftlichen Bevölkerung - die Landwirtschafts- kammer - unterstützte von Anfang an die diversen Aktivitäten der Bäuerinnen und Bauern im Tourismussektor. Die Kammer erstellte zum Beispiel für die Regelung der Abgeltung von Dienstbarkeiten im Rahmen der Pisten- und Loi- penbenützung Musterverträge.[3] Auch die bäuerliche Gästebeherbergung nahm [ 274 ]aufgrund der steigenden Nachfrage rapide zu. Allerdings waren die örtlichen Fremdenverkehrsverbände eher zurückhaltend in der Bewerbung bäuerlicher Gästezimmer, da in landwirtschaftlichen Betrieben Geruchsbelästigungen von Düngerlagerstätten und «Lärmbelästigung» durch Kuhglockengebimmel befürchtet wurde. Ab dem Jahr 1970 listete die Landwirtschaftskammer in Tirol all jene landwirtschaftlichen Betriebe auf, welche «Fremdenzimmer» zur Verfügung stellten. Die Adressen dieser circa 1000 Betriebe wurden jährlich in einer Broschüre veröffentlicht.

In den 1970er-Jahren nahm der Anteil der Nebenerwerbslandwirte rapide zu.[4] Wurden 1970 noch 42,3 Prozent der Betriebe in Tirol im Vollerwerb geführt, so waren es 1980 nur mehr 34,4 Prozent. Besonders drastisch war in dieser Zeit der Wechsel von Zu- auf Nebenerwerb: 1970 wurden 12,1 Prozent der Betriebe im Zuerwerb und 39,8 Prozent im Nebenerwerb bewirtschaftet; 1980 war der Anteil der Zuerwerbsbetriebe auf 8,4 Prozent gesunken, der der Nebenerwerbsbetriebe auf 54,7 Prozent gestiegen. Dieser Strukturwandel führte zu einer enormen Mehrbelastung der Bäuerinnen. Im Gegensatz zum Zuerwerb ging beim Nebenerwerb der Bauer meist ganztägig einer Erwerbstätigkeit ausserhalb des Betriebes nach und damit ging die Last der Betriebsführung in vielen Fällen faktisch auf die Bäuerin über. Der Strukturwandel war ein gesamteuropäisches Phänomen, das sich im Schlagwort vom «Wachsen oder Weichen»[5] manifestierte. Da im Berggebiet aufgrund der Probleme, die Handarbeit zu mechanisieren, ein Flächenwachstum nicht möglich war, wichen die Bauern und Bäuerinnen auf den Nebenerwerb aus. Gleichzeitig wurden viele Betriebe vor allem im Generationswechsel aufgegeben, in Tirol sank die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe von 1960 bis 1990 um fast 6000 oder 22 Prozent. Im Berggebiet konnte die Bewirtschaftung der freiwerdenden Flächen häufig nicht von Nachbarn übernommen werden. Daher setzte in Österreich die Kritik an den diversen Modernisierungsbestrebungen auch früher ein, als dies in anderen europäischen Ländern der Fall war. Bereits in den 1980er-Jahren stellte der damalige Landwirtschaftsminister Dr. Josef Riegler das Konzept einer «Ökosozialen Agrarpolitik» als «Weg zurück aus der agrarpolitischen Sackgasse» vor.[6] Den sozialen Aspekt bezog Riegler vor allem auf die Erhaltung der in Österreich vorherrschenden kleinstrukturierten Familienbetriebe. Die «Ökosoziale Agrarpolitik» förderte Innovationen im Bereich des biologischen Landbaus, den Ausbau von Nebenerwerbsmöglichkeiten am Betrieb wie «Urlaub auf dem Bauernhof» und Direktvermarktung wie auch den Ausbau der Direktzahlungen. [ 275 ]In dieser Phase hatte es auch grosse Veränderungen im Tourismusmarkt gege- ben. Während der 1970er-Jahre stieg die Mobilität der Touristen erheblich an, das Auto wurde zum Massenverkehrsmittel. Vor allem die deutschen Touristen entdeckten den mediterranen Raum für ihren Sommerurlaub. Das Aufkommen von billigen Charterflügen brachte die Globalisierung des Wettbewerbes am Tourismussektor - den Wettbewerb um Tourismusdestinationen - mit sich. Auch die Vermieterinnen mussten auf diesen Trend reagieren und den Zimmerstandard beziehungsweise Komfort für ihre Gäste erhöhen. Ab diesem Zeitpunkt trat die Abteilung Hauswirtschaft der Landwirtschaftskammer in Erscheinung, welche die bäuerlichen ZimmervermieterInnen fachlich zu unterstützen versuchte. Ausgehend von einer Gruppe bäuerlicher VermieterInnen in Landeck wurden sodann in einigen weiteren Bezirken Tirols Vermieterringe gegründet, die im Jahr 1984 zur Gründung des Landesverbandes der bäuerlichen Vermieterringe führte. Damit kam es zu einer starken Vernetzung mit der «Tirol-Werbung», der touristischen Vermarktungsorganisation in Tirol. Diese wiederum erkannte das ausbaufähige Potenzial für ein tirolspezifisches Tourismusprodukt und half den Tiroler Bäuerinnen und Bauern eine gemeinsame Marke «Urlaub am Bauern- hof» aufzubauen. Damit entwickelte sich «Urlaub am Bauernhof» von einem Billigangebot zu einem Qualitätsprodukt. «Urlaub am Bauernhof» konnte sich im Laufe der Zeit in seinem touristischen Umfeld eine wettbewerbsfähige und stabile Marktstellung erarbeiten.

Die Weichenstellungen der «Ökosozialen Agrarpolitik» wurden in der Vor- bereitungsphase zum Beitritt Österreichs zur Europäischen Union weiter- geführt. Die Förderung der Qualitätsproduktion, der biologischen Landwirt- schaft, der Direktvermarktung sowie auch von «Urlaub auf dem Bauernhof» wurde konsequent ausgebaut. Österreich sollte als «Feinkostladen Europas» den Weg in die Europäische Union finden. Die Vorbereitungsphase für den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ging mit der Liberalisierung des bis dahin streng regulierten Marktes, insbesondere im Bereich der Milchwirt- schaft, einher. Das staatliche Förderwesen wandelte sich grundlegend: von einem System produktionsabhängiger Förderungen hin zur flächenbezogenen Abgeltung von Umweltleistungen und insbesondere hin zu Förderungen, die auf die Erhaltung der Kulturlandwirtschaft abzielen. Zahlreiche Bäuerinnen und Bauern hatten Probleme mit dieser Umstellung. Sie mussten sich von ihrer Erwartung, vom Erlös ihrer Produkte leben zu können, lösen. Anstelle dessen fühlten sie sich nun lediglich als «LandschaftspflegerInnen» und « Subventionsempfängerinnen».[7] [ 276 ]Der Wandel von der staatlichen Subventionierung der Produktion hin zur Abgeltung von Leistungen für die Landschaftspflege verstärkte sich mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union 1995 massiv. Heute machen diese Zahlungen, vor allem im Berggebiet, einen hohen Prozentsatz des landwirtschaftlichen Einkommens aus.[8] Die Liberalisierung der Märkte führte allmählich zu einem verstärkten unternehmerisch-innovativen Engagement der Bäuerinnen und Bauern. Neben dem Tourismussektor wurde auch die Direktvermarktung ausgeweitet und einer Professionalisierung unterworfen.[9]

Anfang der 1990er-Jahre erreichten die Nächtigungszahlen in Tirol ihren absoluten Höhepunkt. Seither weisen diese eine rückläufige Tendenz auf - im Sommer stärker als im Winter.[10] Um dem wachsenden Wettbewerb standzuhalten, war eine kontinuierliche Professionalisierung auch der bäuerlichen VermieterInnen erforderlich. Während in den 1980er-Jahren die Infrastruktur verbessert wurde, um mit den anderen touristischen Anbietern in Wettbewerb treten zu können, spielten in einer zweiten Phase die Entwicklung eines USP sowie Investitionen in das Humankapital eine wesentliche Rolle. Bis in die Mitte der 1980er-Jahre hinein, war das niedrige Preisniveau der ausschlaggebende Grund beziehungsweise das Hauptargument dafür, einen Urlaub auf dem Bauernhof zu buchen. Um ein Qualitätsprodukt entwickeln zu können, wurde Anfang der 1990er-Jahre vom Verband «Urlaub am Bauernhof» ein Klassifizierungssystem entwickelt, bei dem die Mitgliedsbetriebe mit «Blumen» - ähnlich der Kategorisierung mit «Sternen» in der Hotellerie - ausgezeichnet wurden. Zunächst wurde die Qualität an der Ausstattung der Zimmer sowie der sanitären Einrichtungen gemessen. Später weiteten sich die Qualitätskriterien auch auf den Servicebereich aus. Spezialangebote für körperbehinderte Gäste, PferdeliebhaberInnen, Biobauernhöfe etc. wurden entwickelt. Dieser Aspekt erforderte eine kontinuierliche Weiterbildung der Bäuerinnen und Bauern. Vor allem die Bäuerinnen standen und stehen einer ständigen Weiterbildung und somit auch einer stetigen innovativen Weiterentwicklung sehr aufgeschlossen gegenüber. Dies ging mit einer raschen Übernahme moderner Kommunikationstechnologien (zunächst Fax, später E-Mail und Internet) einher. Das Ansteigen der Anforderungen stellte aber auch Barrieren dar, am Angebot des Verbandes teilzunehmen. Derzeit sind von den circa 4000 Zimmer vermietenden landwirtschaftlichen Betrieben in Tirol lediglich etwa 400 im Verband «Urlaub am Bauernhof» organisiert. Diese bilden sozusagen einen «professionellen Kern» bäuerlicher VermieterInnen, obwohl sie meist nicht in touristischen Intensivgebieten liegen. Eine Reihe anderer bäuerlicher Betriebe, die Ferienwohnungen und Gästezimmer [ 277 ]anbieten, sind nicht Mitglied, da sie die zusätzliche Unterstützung durch den Verband entweder nicht benötigen, oder sich nicht den Richtlinien unterwerfen wollen. Bei den Mitgliedern von «Urlaub am Bauernhof» konnte in den letzten Jahren eine stärkere Fokussierung auf das Humankapital festgestellt werden. Das Hauptaugenmerk der Aus- und Weiterbildung liegt zunehmend im Bereich der Persönlichkeitsbildung.


Der Einfluss der Gästebeherbergung auf die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Tiroler Bergbäuerinnen


im Berggebiet Tirols hat die Beherbergung von Gästen auf Bauernhöfen Tradition. Die Vermietung von Gästezimmern war von Anfang an eine Domäne der Bäuerin und ist es auch geblieben. Dies steht im Gegensatz zur Direktvermarktung, die zunächst auch als Erweiterung der hauswirtschaftlichen Tätigkeit gesehen wurde, in der sich aber zunehmend auch die Bauern engagieren. Hier zeigt sich eine Tendenz dahingehend, dass sich mit zunehmender wirtschaftlicher Bedeutung auch die Bauern in die Verarbeitung und Vermarktung aktiv einbrachten und einbringen, wie ein Blick auf die Verkaufsstände auf Bauernmärkten beweist. Die Auswirkungen der Vermietertätigkeit auf die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Tiroler Bergbäuerinnen sind vielfältig. im folgenden Abschnitt werden drei Bereiche - Geschlechter- und Generationsverhältnisse, Entscheidungs- und investitionsverhalten am Bauernhof sowie der Wertewandel im Bezug auf hofeigen hergestellte Produkte - aufgegriffen, in denen die Veränderungen besonders auffällig sind.


Auswirkungen auf die Geschlechter- und Generationsverhältnisse am Bauernhof


Die Vermietertätigkeit hat einen signifikanten Einfluss auf die Stellung der Frau am Bauernhof, aber auch auf das Verhältnis zwischen den Generationen am Hof. in unserer modernen Gesellschaft werden Menschen häufig lediglich über die Teilnahme am Erwerbsleben bewertet. Gemäss dem Motto: «Ein Mensch, der kein Geld verdient, hat keinen Wert in der Gesellschaft.» Bevor der Tourismus Einzug auf den Bauernhöfen hielt, wurde die Arbeitskraft der Bäuerin, die bis- lang verstärkt mit reproduktiven Tätigkeiten am Bauernhof konfrontiert war, [ 278 ]kaum anerkannt beziehungsweise stark unterbewertet und auch nicht finanziell abgegolten. Produktive Tätigkeiten, mit finanzieller Abgeltung, lagen zumeist ausschliesslich in den Händen des Bauern.[11] Die Gästebeherbergung stellte somit die erste Ökonomisierung beziehungsweise Kommerzialisierung der weiblichen Arbeitskraft der Bäuerin dar. Auch die Rollen und Arbeitsteilung zwischen Bauer und Bäuerin wurden durch die Vermietertätigkeit markant verändert. Anders als die etwas später - Ende der 1970er-Jahre - im Aufschwung begriffene Direkt¬ vermarktung blieb die Vermietertätigkeit grösstenteils im Aufgabenbereich der Bäuerinnen, wobei im Rahmen der Professionalisierungsmassnahmen auch diese traditionelle Rollenaufteilung immer mehr ins Wanken kommt.

Wie bereits erwähnt, begann sich in den letzten beiden Jahrzehnten, einhergehend mit der Professionalisierung der Anbieter von Urlaub auf dem Bauernhof, zunehmend auch der Bauer in der Vermietung zu engagieren. Meist bleibt dies jedoch auf Hilfstätigkeiten beschränkt. Einige der interviewten Bäuerinnen bestätigten, dass ihre Partner vermehrt zum Staubsauger greifen, um bei der Endreinigung der Zimmer beziehungsweise Appartements behilflich zu sein.

Durch die Vermietungstätigkeit arbeiten Bäuerinnen jedoch zunehmend weniger im landwirtschaftlichen Betrieb mit. Die verringerte Mitarbeit im landwirtschaftlichen Betrieb einerseits und die Möglichkeit, über die Vermietung einen eigenen Arbeitsplatz beziehungsweise -bereich zu finden, erhöht auch für Frauen ohne bäuerlichen Hintergrund die Motivation, einen Bauern zu heiraten. in vielen interviews wurde von den Bauern bestätigt, dass es in landwirtschaftlichen Betrieben mit Vermietung für Hofnachfolger leichter sei, eine Partnerin zu finden.

Die Trennung der Arbeitsbereiche kann aber auch problematisch werden, wenn die unterschiedlichen interessen und Bestrebungen zu weit auseinander klaffen. Die Gäste erwarten zum Beispiel, dass sich die Bäuerin auch mit dem landwirtschaftlichen Betrieb identifiziert und auch auf diesbezügliche Fragestellungen kompetent Auskunft geben kann.

Die bäuerliche Vermietertätigkeit erfordert eine Anpassung der betrieblichen Arbeitsorganisation, da es ansonsten zu massiven Überbelastungen der Bäuerinnen kommt. Dies kann zu einer negativen Einstellung der nachfolgenden Generation führen, die lediglich Arbeitsaufwand und zusätzliche Mehrbelastung wahrnimmt. Als Konsequenz wurden viele Betriebe zur Arbeitsentlastung auf extensivere Formen der Bewirtschaftung, zum Beispiel auf Mutterkuh¬ haltung, umgestellt. Dieses Phänomen ist vor allem in Nebenerwerbsbetrieben feststellbar. [ 279 ]im Vermietungsbereich kam es ab den 1970er-Jahren vermehrt zur Einrichtung von Ferienwohnungen. Dies war einerseits eine Reaktion auf die Bedürfnisse der Gäste, anderseits wurde dies zur Arbeitersparnis und zur besseren Abgrenzung der Privatsphäre propagiert. Erst später wurde klar, dass Ferienwohnungen neue Perspektiven und Möglichkeiten für die Mehrgenerationenfamilien eröffnen. Besonders in den sensiblen Phasen der Hofübergabe beziehungsweise Hofübernahme können Ferienwohnungen in Hofübergeber- beziehungsweise Hofübernehmerwohnungen umfunktioniert werden. insbesondere durch separate Küchen können so eine Reihe von Spannungsfeldern, vor allem zwischen Jungbäuerinnen und Altbäuerinnen, entschärft werden. Ab 1990 gab es seitens der Landwirtschaftskammer wie auch der Tiroler Landesregierung spezielle Förderungsprogramme für den Umbau von Gästezimmern zu Ferienwohnungen. Bezeichnenderweise finden sich ab dieser Zeit vermehrt Artikel über die individuellen Bedürfnisse junger Familien in der Tiroler Bauernzeitung.


Auswirkungen auf das Entscheidungs- Innovations- und Investitionsverhalten am Bauernhof


Investitionen in die infrastruktur stellen eine zentrale Komponente für die Entwicklung des Angebotes bäuerlicher Vermieter dar. Tiroler Bauernhöfe weisen dabei unterschiedliche investitionsmuster auf: Einige Betriebe verlagern ihre investitionen vom landwirtschaftlichen Sektor in den touristischen Bereich. Bei diesen Betrieben fungiert die Landwirtschaft vorrangig als notwendige Basis für die Vermietung. Für andere landwirtschaftliche Betriebe bleibt trotz Engagement in der Vermietung der landwirtschaftliche Produktionssektor im Vordergrund. Jene landwirtschaftlichen Betriebe, die sich im Tourismussektor betätigen, tätigen allerdings in der Regel früher Investitionen im Bereich des Haushaltes als Betriebe ohne touristische Aktivitäten. Die investitionen in den Haushalt sowie in die sanitären Einrichtungen kommen wiederum nicht nur den Gästen, sondern auch den bäuerlichen Familien selbst zu Gute. ihr Lebensstandard steigt damit erheblich an. Ein interviewpartner führte als Beispiel an, dass er sich als junger Bursche noch im Brunnen vor dem Bauernhaus gewaschen habe und erst mit der Vermietung das Fliesswasser ins Haus geleitet wurde. Laut Aussage einer anderen interviewpartnerin wurden investitionen in den Haushalt zugunsten von Anschaffungen für den landwirtschaftlichen Betrieb generell zurückgestellt. Mit den Einnahmen aus der Vermietung, über die hauptsächlich [ 280 ]die Bäuerinnen verfügten und nach wie vor verfügen, konnte diese Situation verändert werden. Mit der Verfügungsgewalt über einen beträchtlichen Teil des Betriebseinkommens änderte sich auch die Stellung der Bäuerin bei Entscheidungen über landwirtschaftliche Investitionen. Ein weiterer Interviewpartner berichtete sogar davon, dass sein Vater die Mutter nach einer erfolgreichen Saison um das Geld für notwendig gewordene Investitionen für den landwirtschaftlichen Produktionsbetrieb bitten musste. Die Zimmervermietung brachte somit nicht nur die Notwendigkeit für bauliche Massnahmen, sondern auch die finanziellen Mittel für die Umsetzung der Vorhaben mit sich.

Neben den Investitionen in die Infrastruktur wurden mit der Zimmervermietung Investitionen in die Kommunikation notwendig. Besonders die Mitgliedsbetriebe von «Urlaub am Bauernhof» gehören zu den «early adopters»[12] neuer Technologien. War anfänglich ein Telefonanschluss Voraussetzung für die Vermietung, wurde in den 1990er-Jahren ein Faxgerät obligat. Der Verband hatte 1996 das Ziel formuliert, in einer Zeitspanne von fünf Jahren das Internet bei 50 Prozent seiner Mitglieder zu etablieren. Dieses Ziel wurde bereits 1999 erreicht. Heute ist der Internetanschluss praktisch flächendeckend vorhanden, circa ein Drittel der Betriebe bietet online Buchung an und verfügt über eine eigene Homepage neben der des Verbandes. Damit ist das Internet zum wichtigsten Verkaufsmedium beziehungsweise Buchungsmedium für «Urlaub am Bauernhof» geworden. Zur Verwendung des Internets wurden und werden Kurse über das «Ländliche Fortbildungsinstitut (LFI)» angeboten. Auch hier zeigte sich, dass die Bäuerinnen das Bildungsangebot verstärkter wahrnehmen als ihre männlichen Partner. Damit geht einher, dass im bäuerlichen Milieu Computer zunächst von den vermietenden Bäuerinnen genutzt wurden. Dies steht im Widerspruch zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, in der die ersten Internetuser jung und männlich waren.[13] Die Kommunikation mit den Gästen geschieht nicht nur bei der Buchung, sondern auch während des Aufenthaltes vorrangig über die Bäuerin. Damit erhält sie eine Fülle von Informationen über Lebenswelten ausserhalb des bäuerlichen Milieus. So beschrieb eine Interviewpartnerin Einflüsse, die sie bereits als Kind in der Kommunikation mit Gästekindern aus der Stadt erlebte. Die Gespräche mit Gästen können auch zu Impulsen für Innovationen im landwirtschaftlichen Betrieb, wie zum Beispiel zu neuen Produkten für die Direktvermarktung, führen. Dabei zeigt sich überdies, dass Frauen, die selbst nicht dem landwirtschaftlichen Sektor entstammen, häufiger innovative Ideen in die Bewirtschaftung des landwirtschaftlich-touristisch ausgerichteten Betriebes einbringen können, [ 281 ]weil sie nicht durch traditionelle Vorstellungen belastet sind. Das direkte Feedback der Gäste zur bäuerlichen Kulturlandschaft kann weiters zu einer Neubewertung der Abgeltung dafür führen. Eine Interviewpartnerin drückte dies so aus: «Die Anbieter von Urlaub am Bauernhof sind die einzigen Bauern, die die Kulturlandschaft aktiv vermarkten.» Das positive Feedback seitens der Gäste erleichtert es den bäuerlichen Familien überdies, der nachfolgenden Generation und insbesondere dem Hoferben, der Hoferbin ein positives Bild des Landwirtschaftssektors zu vermitteln.


Wertewandel im Bezug auf hofeigen hergestellte Produkte


Einhergehend mit der Modernisierungsphase verringerte sich zunächst die Verarbeitung von Lebensmitteln am Betrieb. Durch Spezialisierung und Rationalisierung sowie auch durch die Verringerung der Arbeitskräfte wurde die Erzeugung hofeigener Produkte immer weiter in den Hintergrund gedrängt und verschwand vielfach. Die Aufnahme von Urlaub auf dem Bauernhof verstärkte diese Tendenzen zusätzlich, da die Vermietertätigkeit eine zusätzliche Belastung der Bäuerin darstellt und die Erzeugung hofeigen hergestellter Produkte überwiegend in den Händen der Bäuerinnen lag. Vermietung und Direktvermarktung, neben der Multitasking-Funktion der Bäuerinnen an sich -tder Hausarbeit, der Kindererziehung und der Mitarbeit im landwirtschaftlichen Betrieb - zu vereinbaren, stellte eine grosse Herausforderung dar. Damit dominierten zunächst industriell gefertigte Butter und Marmelade nicht nur den bäuerlichen Haushalt, sondern auch den Frühstückstisch der Gäste. Erste Initiativen zur erneuten Verarbeitung und zum Vertrieb hofeigen hergestellter Produkte, und damit zur Diversifizierung, wurden Ende der 1970er-, Anfang der 1980er-Jahre im Rahmen der eigenständigen Regionalentwicklung, durch die damals sozialdemokratische Regierung gefördert.[14] Diese Bemühungen konzentrierten sich aber zunächst auf marginalisierte Gebiete Österreichs, wie zum Beispiel das Wald- und Mühlviertel, in denen der Tourismus keine grosse Rolle spielte. Mit der «Ökosozialen Agrarpolitik» rückte die Verarbeitung hofeigener Produkte stärker ins Blickfeld der Kammerorganisation und der bäuerlichen Familien. 1989 begannen in Tirol erste Kooperationen zwischen der Direktvermarktung und dem Verband «Urlaub am Bauernhof», da sich herausstellte, dass bäuerliche Produkte die Unverwechselbarkeit des touristischen Produktes erhöhen und ergänzen können. Mit der Einführung [ 282 ]der Qualitätsklassifizierung von «Urlaub am Bauernhof» wurde das Angebot bäuerlicher Produkte am Frühstückstisch der Gäste verpflichtend. Die intensive Beschäftigung mit den bäuerlichen Produkten beziehungsweise Lebensmitteln als Imageträger für den Tourismus brachte auch eine höhere Wertschätzung der bäuerlichen Familien für den eigenen Verbrauch hofeigen erzeugter Produkte mit sich. Bäuerinnen und Bauern waren wieder stolz auf die am Hof hergestellten beziehungsweise verarbeiteten Produkte. Eine Bäuerin drückte dies folgendermassen aus: «Jetzt wissen wir wieder, wofür wir arbeiten.»


Zusammenfassung


Der Beitrag zeigt, dass die Vermietertätigkeit eine Reihe von Auswirkungen auf die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Bäuerinnen in Tirol mit sich brachte.

Urlaub auf dem Bauernhof stellt heute einen anerkannten landwirtschaftlichen Betriebszweig dar, der von den Bäuerinnen dominiert wird. Bäuerinnen finden anhand der Vermietertätigkeit ein eigenes Betätigungsfeld vor. Ihre Arbeit wird entgeltlich abgegolten und damit trägt die Vermietung wesentlich zur Stärkung des Selbstbewusstseins der Bäuerinnen sowie auch zur finanziellen Unabhängigkeit vom Partner bei. Die Bäuerinnen verfügen somit nicht nur über ein eigenes Einkommen, sondern können auch selbständig als Unternehmerinnen agieren. Dieser Aspekt erhöht auch die Attraktivität des Berufes der Bäuerin, insbesondere für Frauen ohne landwirtschaftlichen Hintergrund. Ebenso werden Bäuerinnen, die über ihre Einnahmen zum Betriebseinkommen beitragen, in die Entscheidungen bezüglich Investitionen im landwirtschaftlichen Betrieb vermehrt eingebunden.

Die Interviews ergaben mehrfach Hinweise, dass Jungbauern auf Bauernhöfen, die sich im touristischen Sektor betätigen, leichter eine Partnerin finden. Die Beherbergungskapazitäten können zudem in der Hofübergabephase für getrennte Wohnbereiche genützt werden, was einheiratenden «Neobäuerinnen» den Einstieg in den Betrieb erleichtert. In einer Studie aus Südtirol wurden getrennte Wohnbereiche von unverheirateten jungen Frauen als Vorbedingung für die Heirat eines Hoferben genannt.[15]

Die symbiotische Beziehung zwischen Tourismus und Landwirtschaft ist - trotz Strukturwandel - ein wesentlicher Faktor für die Stabilität im ländlichen Raum. Die Vermietertätigkeit ermöglicht in wirtschaftlicher sowie auch in [ 283 ]sozialer Hinsicht die nachhaltige Sicherung vieler klein strukturierter landwirtschaftlicher Betriebe im Berggebiet Tirols. Bäuerinnen und Bauern, die in den touristischen Sektor eingebunden sind, fällt es leichter, die Abgeltung für die Landschaftspflege als Bezahlung für eine erbrachte Leistung zu verstehen. In dieser Hinsicht können sie als Multiplikatoren für die Neubewertung bäuerlicher Leistungen innerhalb der Landwirtschaft fungieren. Die Mitglieder des Verbandes «Urlaub am Bauernhof» erweisen sich als Vorreiter bei der Übernahme von Innovationen. Landwirtschaftliche Betriebe, die sich in den Tourismussektor einbringen, werden durch ihre Gäste mit neuen Konsum- und Lebensgewohnheiten konfrontiert, und damit werden wiederum die unternehmerischen Fähigkeiten, vor allem die der Bäuerinnen, gefördert und gefordert. Die Konfrontation mit neuen Lebensstilen färbt aber auch auf die Konsumgewohnheiten der Anbieter ab. So bestätigen die Interviews, dass Bäuerinnen und Bauern, die Urlaub am Bauernhof anbieten, auch selbst häufiger Urlaub machen.

Anhand der angeführten Aspekte zeigt sich, dass im Berggebiet für die Fortführung der Landwirtschaft neben ökonomischen vor allem motivatorische Faktoren ausschlaggebend sind.[16] Jungbäuerinnen und Jungbauern bevorzugen einen Lebensstil, der mit dem ihrer Freunde aus nicht-landwirtschaftlicher Herkunft kompatibel ist. Ein solcher neuer, moderner, bergbäuerlicher Lebensstil - einhergehend mit traditionellen Wurzeln - ist auf Bauernhöfen, die Gästebeherbergung anbieten, leichter gewährleistet.


Anmerkungen


1 Diese Fallstudie wurde als Teil des Forschungsprojektes COFAMI (Encouraging Collective Farmer Marketing Initiatives) durchgeführt. Dieses EU-Forschungsprojekt, im 6. Rahmenpro¬ gramm der Europäischen Kommission, untersuchte von 2005 bis 2008 in zehn verschiedenen europäischen Ländern die sozialen, ökonomischen, kulturellen und politischen Faktoren, die die Gründung und Entwicklung von gemeinschaftlichen Vermarktungsinitiativen behindern bzw. fördern.

2 W. Meixner, «Tourismus», in: R. Psenner, R. Lackner (Hg.), Die Alpen im Jahr 2020, (Alpine Space - Man & Environment 1), Innsbruck 2006, S. 57-68.

3 M. Schermer, Die Förderung der Land- und Forstwirtschaft durch die Gemeinde in Tirol, Diplomarbeit an der Universität für Bodenkultur, Wien 1983.

4 M. Schermer, «Strategies for Farm Survival in Tyrol, Austria», in: A. Saika (Hg.), Population, Environment and the Challenge of Development, New Delhi 2003, S. 179-200.

5 H. Priebe, Die subventionierte Unvernunft. Landwirtschaft und Naturhaushalt, Berlin 1988.

6 Siehe die Ausführungen in: J. Riegler, «Zielsetzungen für die Österreichische Landwirtschaft», in: F. Schneider, M. Hofreither (Hg.), Chance Landwirtschaft Wege und Perspektiven für die neunziger Jahre, Wien 1988, S. 322. [ 284 ] 7 E. Rieder, Die politischen Auswirkungen des Strukturwandels Tiroler Bergbauern/-bäuerinnen, Diplomarbeit, Universität Innsbruck, Innsbruck 2000.

8 I. Darnhofer, «Organic Farming at the Heart of the Rural Development Policy - the Example of Austria», in: C. Andreasen et al. (Hg.), Organic Farming and European Rural Development, Proceedings of the Joint Organic Congress, Odense 2006, S. 712-713.

9 M. Schermer, Tiroler Landwirtschaft und die Europäische Union - Was hat sich seit dem Beitritt zur EU verändert?, Projektbericht Tiroler Kulturwerk, Innsbruck 1999.

10 Meixner (wie Anm. 2), Innsbruck 2006, S. 57-68.

11 R. Sieder, Sozialgeschichte der Familie, Frankfurt 1987.

12 E. Rogers, The Diffusion of Innovation, New York 1983.

13 H. Ono, M. Zavodny, «Gender and the Internet», Social Science Quarterly, vol. 84, Nr. 1, 2003, S. 111-121.

14 G. Regenärmel, M. Schmid (Hg.), Neuland. Die Wiederentdeckung bäuerlicher Direktvermarktung, Wien 1989.

15 A. Matscher et al., «Einstellung junger unverheirateter Frauen zur Partnerschaft mit einem Bauern und zum Leben am Bauernhof - eine Befragung in Südtirol», in: Pöchtrager (Hg.), Jahrbuch der Österreichischen Gesellschaft für Agrarökonomie, Bd. 16, Wien 2007, S. 53-64.

16 Schermer (wie Anm. 4).

  1. 1 Diese Fallstudie wurde als Teil des Forschungsprojektes COFAMI (Encouraging Collective Farmer Marketing Initiatives) durchgeführt. Dieses EU-Forschungsprojekt, im 6. Rahmenpro¬ gramm der Europäischen Kommission, untersuchte von 2005 bis 2008 in zehn verschiedenen europäischen Ländern die sozialen, ökonomischen, kulturellen und politischen Faktoren, die die Gründung und Entwicklung von gemeinschaftlichen Vermarktungsinitiativen behindern bzw. fördern.
  2. 2 W. Meixner, «Tourismus», in: R. Psenner, R. Lackner (Hg.), Die Alpen im Jahr 2020, (Alpine Space - Man & Environment 1), Innsbruck 2006, S. 57-68.
  3. 3 M. Schermer, Die Förderung der Land- und Forstwirtschaft durch die Gemeinde in Tirol, Diplomarbeit an der Universität für Bodenkultur, Wien 1983.
  4. 4 M. Schermer, «Strategies for Farm Survival in Tyrol, Austria», in: A. Saika (Hg.), Population, Environment and the Challenge of Development, New Delhi 2003, S. 179-200.
  5. 5 H. Priebe, Die subventionierte Unvernunft. Landwirtschaft und Naturhaushalt, Berlin 1988.
  6. 6 Siehe die Ausführungen in: J. Riegler, «Zielsetzungen für die Österreichische Landwirtschaft», in: F. Schneider, M. Hofreither (Hg.), Chance Landwirtschaft Wege und Perspektiven für die neunziger Jahre, Wien 1988, S. 322.
  7. 7 E. Rieder, Die politischen Auswirkungen des Strukturwandels Tiroler Bergbauern/-bäuerinnen, Diplomarbeit, Universität Innsbruck, Innsbruck 2000.
  8. 8 I. Darnhofer, «Organic Farming at the Heart of the Rural Development Policy - the Example of Austria», in: C. Andreasen et al. (Hg.), Organic Farming and European Rural Development, Proceedings of the Joint Organic Congress, Odense 2006, S. 712-713.
  9. 9 M. Schermer, Tiroler Landwirtschaft und die Europäische Union - Was hat sich seit dem Beitritt zur EU verändert?, Projektbericht Tiroler Kulturwerk, Innsbruck 1999.
  10. 10 Meixner (wie Anm. 2), Innsbruck 2006, S. 57-68.
  11. 11 R. Sieder, Sozialgeschichte der Familie, Frankfurt 1987.
  12. 12 E. Rogers, The Diffusion of Innovation, New York 1983.
  13. 13 H. Ono, M. Zavodny, «Gender and the Internet», Social Science Quarterly, vol. 84, Nr. 1, 2003, S. 111-121.
  14. 14 G. Regenärmel, M. Schmid (Hg.), Neuland. Die Wiederentdeckung bäuerlicher Direktvermarktung, Wien 1989.
  15. 15 A. Matscher et al., «Einstellung junger unverheirateter Frauen zur Partnerschaft mit einem Bauern und zum Leben am Bauernhof - eine Befragung in Südtirol», in: Pöchtrager (Hg.), Jahrbuch der Österreichischen Gesellschaft für Agrarökonomie, Bd. 16, Wien 2007, S. 53-64.
  16. 16 Schermer (wie Anm. 4).