Die Worte des Engels

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Textdaten
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Autor: Rainer Maria Rilke
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Titel: Die Worte des Engels
Untertitel:
aus: Das Buch der Bilder
2. Buch Teil 1, S. 65–68
Herausgeber:
Auflage: Zweite sehr vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1906
Verlag: Axel Junker Verlag
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Erscheinungsort: Berlin / Leipzig, Stuttgart
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Quelle: Commons,
E-Text von eLib Austria Projekt
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Signatur ÖNB 665257-B.Neu-Mag
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[65]
Verkündigung


[67]
Die Worte des Engels


Du bist nicht näher an Gott als wir;
wir sind ihm alle weit.
Aber wunderbar sind Dir
die Hände benedeit.

5
So reifen sie bei keiner Frau,

so schimmernd aus dem Saum:
ich bin der Tag, ich bin der Thau,
Du aber bist der Baum.

Ich bin jetzt matt, mein Weg war weit,

10
vergib mir, ich vergaß

was er, der groß in Goldgeschmeid
wie in der Sonne saß,
Dir künden ließ, Du Sinnende,
(verwirrt hat mich der Raum).

15
Sieh: Ich bin das Beginnende,

Du aber bist der Baum.

Ich spannte meine Schwingen aus
und wurde seltsam weit;
jetzt überfließt Dein kleines Haus

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von meinem großen Kleid.

Und dennoch bist Du so allein
wie nie und schaust mich kaum;
das macht: Ich bin ein Hauch im Hain,
Du aber bist der Baum.

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Die Engel alle bangen so,

lassen einander los:
noch nie war das Verlangen so,
so ungewiß und groß.
Vielleicht, dass etwas bald geschieht,

30
das Du im Traum begreifst.

Gegrüßt sei, meine Seele sieht:
Du bist bereit und reifst.
Du bist ein großes, hohes Tor,
und aufgehn wirst Du bald.

35
Du, meines Liedes liebstes Ohr,

jetzt fühle ich: Mein Wort verlor
sich in Dir wie im Wald.

So kam ich und vollendete
Dir tausendeinen Traum.

40
Gott sah mich an; er blendete …


Du aber bist der Baum.