Page:H.M. Der Untertan.djvu/428

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wesen und war jetzt stark gerötet, der Blick sah nichts — und plötzlich sprang sie auf, fuhr los wie gebrannt, und mit zornigen, unsicheren Schritten stürmte sie fort, sich anschlagend, ohne Schmerz zu fühlen, fort, wie in Nebel hinein, wie in Qualm … Diederich drehte sich in steigender Angst nach Frau und Mutter um. Da Guste zur Respektlosigkeit geneigt schien, raffte er den gewohnten Komment zusammen und stampfte stramm hinter Emmi her.

Noch hatte er nicht die Treppe erreicht, und droben ward schon heftig die Tür versperrt, mit Schlüssel und Riegel. Da begann Diederichs Herz so stark zu klopfen, daß er anhalten mußte. Als er hinaufgelangt war, blieb ihm nur noch eine schwache, atemlose Stimme, um Einlaß zu verlangen. Keine Antwort, aber er hörte etwas klirren auf dem Waschtisch, — und plötzlich schwenkte er die Arme, schrie, schlug gegen die Tür und schrie unförmlich. Vor seinem eigenen Lärm hörte er nicht, wie sie öffnete, und schrie noch, als sie schon vor ihm stand. „Was willst du?“ fragte sie zornig, worauf Diederich sich sammelte. Von der Treppe spähten mit fragendem Entsetzen Frau Heßling und Guste hinauf. „Unten bleiben!“ befahl er, und er drängte Emmi in das Zimmer zurück. Er schloß die Tür. „Das brauchen die anderen nicht zu riechen“, sagte er knapp, und er nahm aus der Waschschüssel einen kleinen Schwamm, der von Chloroform troff. Er hielt ihn mit gestrecktem Arm von sich fort und heischte: „Woher hast du das?“ Sie warf den Kopf zurück und sah ihn an, sagte aber nichts. Je länger dies dauerte, um so weniger wichtig fühlte Diederich die Frage werden, die doch von Rechts wegen die erste war. Schließlich ging er einfach zum Fenster und warf den Schwamm in den dunklen Hof. Es platschte, er war in den Bach gefallen. Diederich seufzte erleichtert.

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